Musikalische Gesellschaftskritik zum Nachtisch
Studierende konzipieren Sonderausstellung zum ,Augsburger Tafel-Confect‘ des Komponisten Valentin Rathgeber, Eröffnung am 13. Mai im Leopold-Mozart-Haus
Zeitkritisch, spöttisch, unterhaltend – nicht unbedingt die Art von musikalischen Kompositionen, die von einem Benediktinermönch des 18. Jahrhunderts zu erwarten sind. Valentin Rathgeber aber veröffentlichte weltliche Liederbücher. Die darin enthaltenen Stücke sollten zum Nachtisch vorgespielt werden, Essenskultur und Liedgut gingen Hand in Hand. Studierende der Universität Augsburg haben diese Themen vereint und im Rahmen eines interdisziplinären Seminars die Kabinettsausstellung „Ohren vergnügend und Gemüt ergötzend – Das Augsburger Tafel-Confect Valentin Rathgebers“ für das Leopold Mozart Haus konzipiert. Die Eröffnungsfeier, samt kleinem Konzert, findet am 13. Mai, um 17 Uhr statt. Was die Tücken einer Ehe mit einer süßen Nachspeise und einem scherzhaften Musikstück, auch Quodlibet genannt, zu tun haben? Alles, wenn es nach apl. Prof. Dr. Johannes Hoyer geht. Er ist Dozent für Musikwissenschaft und Musikvermittlung am Leopold-Mozart-Zentrum der Universität Augsburg und hat gemeinsam mit Dr. Stefan Hartmann vom Lehrstuhl für Europäische Ethnologie/Volkskunde ein interdisziplinäres Seminar geleitet. Die Ergebnisse sind in die Kabinettsaustellung „Ohren vergnügend und Gemüt ergötzend – Das Augsburger Tafel-Confect Valentin Rathgebers“ geflossen, die ab 13. Mai bis März 2023 im Augsburger Leopold Mozart Haus zu sehen ist. Doch zurück zur Ehe, der Nachspeise und vor allem der Musik. In der Ausstellung dreht sich alles um das musikalische Werk des umtriebigen Mönchs Valentin Rathgeber (1682-1750). Er zählt zu den einflussreichsten und produktivsten Komponisten Süddeutschlands. Sein Augsburger Tafel-Confect“ ist eine vierteilige Sammlung profaner Unterhaltungslieder, die ab 1733 sukzessive beim Augsburger Lotter-Verlag erschienen ist. „Der Erscheinungsort ist aber nur ein Baustein von vielen, der Valentin Rathgeber mit Leopold Mozart verbindet“, erklärt Hoyer. „Im Jesuitenkolleg aufgewachsen, war Mozart senior nachweislich mit dem musikalischen Schaffen Rathgebers vertraut.“ Neun Jahre lang reiste der Mönch durch Europa, komponierte, baute ein Kundennetzwerk auf und vermarktete seine Werke. Mit leicht aufführbarer weltlicher Musik für ein aufstrebendes Bürgertum entdeckte er schließlich eine Marktnische. Hoyer sagt: „Rathgeber war ein interessantes Vorbild. Seine Strategien wendete ein wenig später auch Leopold Mozart für sich und seinen Sohn Wolfgang an.“ Grund genug also, um Valentin Rathgeber eine Sonderausstellung im Leopold Mozart Haus zu widmen. Während die Studierenden sich mit der Musik des Komponisten beschäftigten, stießen sie auf Liedtexte mit viel Witz und Ironie. In den Stücken Rathgebers wird nicht nur die Schönheit der Musik besungen. Die Texte sprechen auch von der ,Dummheit‘, die auf der Welt herrscht oder vom Genuss von Tabak. Eins der Lieder trägt sogar den Titel „Die Beschwerlichkeiten des Ehestandes“. Hoyer sagt dazu: „Wir haben es hier mit politischen sowie zeit- und obrigkeitskritischen Texten zu tun. Sie sind spöttisch, verballhornend und nicht zuletzt unterhaltend.“ Eine Auswahl dieser Lieder begleitet die Ausstellung. Laut Hoyer zeigen die Tonbeispiele einen Querschnitt und sind als „Appetithappen“ zu verstehen. Als interaktives Element gibt es in der Ausstellung Abreißkalender mit QR-Codes. Besucher greifen damit nicht nur auf die Lieder zu, sondern erhalten auch weitere Verlinkungen, bibliographische Hinweise sowie Informationen zur damaligen Essenskultur. Rathgeber gab seiner Liedersammlung nicht umsonst den Zusatz „Confect“, verbunden mit der Aufforderung, seine Musik zum Dessert vorzuspielen. Ein weiterer Ausstellungsschwerpunkt ist deshalb auch die Speisekultur des 18. Jahrhunderts. Welche Süßspeisen haben die Augsburger damals gegessen? Wie kann man sich ein Menü vorstellen, an dessen Ende das Tafel-Confect erklungen ist? Grafiken zeigen Haus- und Musikszenen. Zwei in Augsburg gedruckte Kochbücher aus dem 18. Jahrhundert veranschaulichen die damaligen Essensgewohnheiten. Zusätzlich werfen Zitate aus Leopold Mozarts Reisebriefen Schlaglichter auf die Essenskultur der Zeit – vom Versailler Hof bis zum einfachen Gasthaus. Wer möchte, kann nach dem Ausstellungsbesuch sogar ein altes Rezept nachkochen, das ebenfalls per QR-Code einsehbar ist. Die Kabinettausstellung ist in Kooperation mit dem Mozartbüro im Kulturamt der Stadt Augsburg, den Kunstsammlungen und Museen der Stadt Augsburg, der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg sowie dem Leopold-Mozart-Zentrum der Universität Augsburg entstanden. Hoyer sagt dazu: „Mit solchen Ausstellungen werden wir als Universität in der Stadt sicht- und hörbar. Projekte wie diese sind gelebte Interdisziplinarität. Weitere sollen folgen.“ Die Eröffnungsfeier findet am 13. Mai, um 17 Uhr im Leopold Mozart Haus statt. Studierende der Universität Augsburg führen an diesem Abend unter der Leitung von Prof. Christoph Hammer ein kleines Konzert mit Kompositionen aus dem „Augsburger Tafel-Confect“ auf. Der Eintritt an diesem Abend ist frei, ansonsten gelten die üblichen Eintrittsgebühren. Im Sommersemester gibt es eine Reihe von Vorträgen und Orgelkonzerten im Rahmen dieser Ausstellung. Weitere Informationen sind im Flyer der Veranstaltung zu finden:
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