Pressemitteilung 41/23 - 26.05.2023

Millionen-Förderung für Erforschung neuer Quantenmaterialien

DFG bewilligt Transregio-Sonderforschungsbereich unter Federführung der Universität Augsburg und der TU München

Ein Großforschungsprojekt unter Federführung der Universität Augsburg und der TU München wird sich in den kommenden Jahren einem zentralen Zukunftsthema widmen: der Entwicklung und Untersuchung neuartiger Materialien, deren Eigenschaften wesentlich durch Quanteneffekte geprägt sind. Langfristig könnten sie etwa als Basis extrem leistungsfähiger Computer dienen. An dem sogenannten Transregio-Sonderforschungsbereich sind insgesamt acht Universitäten und Forschungsinstitute beteiligt, davon sieben in Deutschland. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Projekt mit zwölf Millionen Euro; rund zehn Millionen davon fließen nach Bayern. Die Universität Augsburg ist an weiteren drei geförderten Sonderforschungsbereichen beteiligt.

Für die Festköperphysik war die Welt lange Zeit übersichtlich: Es gab Materialien, die den elektrischen Strom leiten (die Leiter; z.B. die meisten Metalle); es gab andere, die das nicht tun (die Isolatoren) und schließlich solche, die eines kleinen Schubsers bedürfen, bevor sie sich dazu überreden lassen (die Halbleiter).
Bei der Forschung des Transregios zu eingeschränkter Quantenmaterie wird auch ein Rasterkraftmikroskop genutzt. Die Entwicklung und Untersuchung neuartiger Materialien fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit zwölf Millionen Euro. © Universität Augsburg

2007 trat eine vierte Gruppe auf den Plan: die topologischen Isolatoren. Diese leiten Strom nur an ihrer Oberfläche, dort allerdings extrem gut. In ihrem Zentrum sind sie dagegen Isolatoren. Topologische Isolatoren zählen zu einer wachsenden Familie neuartiger Materialien, deren exotische Eigenschaften maßgeblich auf quantenphysikalischen Effekten beruhen. Sie werden daher als Quantenmaterialien bezeichnet.

Der jetzt bewilligte Transregio-Sonderforschungsbereich soll in den kommenden Jahren die Entwicklung und Untersuchung derartiger Materialien vorantreiben. Denn sie gelten unter anderem als Schlüssel zu ultraschnellen Quantencomputern. Diese machen sich zur Lösung bestimmter mathematischer Probleme quantenmechanische Effekte zunutze. Aufgaben, für die heutige Rechner Jahre benötigen, könnten sie daher in Sekundenbruchteilen bewältigen.

Quantenphysikalische Effekte bei Raumtemperatur

Oft kommen Quanteneffekte nur in der Welt der allerkleinsten Dinge zum Tragen – zum Beispiel auf Molekül- oder Atomebene. „Die bisher verfügbaren Quanten-Rechner erfordern daher sehr aufwendige Techniken, mit denen sich etwa einzelne Atome manipulieren lassen“, erklärt der Augsburger Physiker Prof. Dr. István Kézsmárki, Sprecher des neuen Transregio-SFBs.

So müssen die Atome in der Regel stark heruntergekühlt werden. In diesem Zustand lassen sie sich dann beispielsweise mit „Pinzetten“ aus Laserlicht greifen und mit Informationen beschreiben. „Die dazu nötigen Technologien sind höchst komplex“, sagt der Wissenschaftler vom Institut für Experimentalphysik der Universität Augsburg. „Zudem sind die Systeme anfällig gegenüber störenden Einflüssen.“ Selbst ein sehr einfacher Quantencomputer füllt daher heute ein halbes Labor.

Quantenmaterialien sind dagegen wesentlich leichter zu handhaben: In ihnen treten bestimmte quantenmechanische Effekte auch dann auf, wenn viele Atome oder Moleküle zusammenkommen. „Zudem sind Materialien denkbar, die diese Phänomene sogar bei Raumtemperatur entfalten“, betont Kézsmárki. Der Sonderforschungsbereich sucht daher unter anderem nach Materialien, die sich für den Einsatz in künftigen Quantencomputern eignen könnten.

„Einschränkungen“ vereinfachen die Suche

Eine wichtige Rolle bei dieser Suche spielen sogenannte „Constraints“. Dabei handelt es sich um geschickt implementierte spezielle  Regeln,  die einem Material aufgezwungen werden. Obwohl diese Regeln erst einmal eine starke Einschränkung bedeuten, erzeugen sie interessanterweise Materialien mit neuen exotischen Eigenschaften – getreu dem Prinzip „weniger ist mehr“. Nur wenn das Material ihnen genügt, zeigt es die gewünschten Quanten-Phänomene. „Indem wir uns an solchen Constraints orientieren, können wir leichter Materialien mit entsprechenden Eigenschaften finden“, erklärt Kézsmárki. „Zudem hoffen wir, dadurch sogar gezielt neue Quantenzustände herstellen zu können.“

Bei ihrer Suche konzentrieren sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einerseits auf Materialien, zu denen auch die topologischen Isolatoren gehören. Als weiterer Ausgangspunkt dient ihnen eine zweite Gruppe von Materialien, die sogenannte Quantenspinflüssigkeiten ausbilden. „Wir wollen zudem untersuchen, wie sich Quantenmaterialien verhalten, wenn wir sie – etwa durch die Zuführung von Strahlungsenergie – aus dem Gleichgewicht bringen“, sagt der Wissenschaftler. „Wir erwarten, dass sie dann plötzlich ganz andere und möglicherweise auch völlig neue Eigenschaften zeigen.“

Förderentscheid unterstreicht Augsburger Expertise

Die Präsidentin der Universität Augsburg Prof. Dr. Sabine Doering-Manteuffel wertet den Erfolg als Beleg für das hohe wissenschaftliche Renommee der Universität in diesem zukunftsträchtigen Feld der Quantenphysik: „Wir sind sehr stolz darauf, dass sich unser SFB-Antrag durchsetzen konnte“, sagt sie. „Die Förderentscheidung der DFG wird der großen wissenschaftlichen Expertise, die die Universität Augsburg auf diesem Gebiet vorzuweisen hat, noch weitere internationale Sichtbarkeit verleihen.“

In dem Großprojekt mit dem Titel „Eingeschränkte Quantenmaterie“ kooperieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus sehr verschiedenen physikalischen Fachrichtungen. Neben der Universität Augsburg ist die TU München Mitantragssteller, die mit Prof. Dr. Frank Pollmann auch den stellvertretenden Sprecher stellt.

Neben der Universität Augsburg und der TU München sind Arbeitsgruppen der Universität Leipzig, der Universität Tokyo, der Max-Planck-Institute für Festkörperforschung (Stuttgart) und für Quantenoptik (Garching), des Walther-Meißner-Instituts (Garching) sowie des Heinz-Maier-Leibnitz-Zentrums (Garching) beteiligt.

In Sonderforschungsbereichen fördert die DFG besonders innovative, anspruchsvolle und langfristige Verbundvorhaben für maximale 12 Jahre. Alle vier Jahre wird über eine Weiterfinanzierung entschieden. Die Universität Augsburg koordiniert den jetzt bewilligten Transregio; sie ist zudem an drei weiteren SFBs beteiligt.

Universität Augsburg an weiteren drei Sonderforschungsbereichen beteiligt

An weiteren von der DFG bewilligten Sonderforschungsbereiche/Transregios ist die Universität Augsburg beteiligt:

  • Sonderforschungsbereich 1585 „Strukturierte Funktionsmaterialien für multiplen Transport in nanoskaligen räumlichen Einschränkungen“  (Universität Bayreuth, Sprecher: Professor Dr. Jürgen Senker; beteiligt an der Universität Augsburg: Prof. Dr. Fabian Pauly, Theoretische Physik)
  • SFB/Transregio 386 „HYP*MOL – Hyperpolarisation in molekularen Systemen“ (Universität Leipzig, Sprecher: Professor Dr. Jörg Matysik; ebenfalls antragstellend: TU Chemnitz; beteiligt an der Universität Augsburg: Dr. Christian Wiebeler, Computergestützte Biologie)
Für eine weitere Förderperiode verlängerter SFB:
  • SFB 1389 „Überwindung der Therapieresistenz von Glioblastomen“ (Universität Heidelberg, Sprecher: Professor Dr. Wolfgang Wick; beteiligt an der Universität Augsburg: Prof. Dr. Matthias Schlesner, Biomedizinische Informatik, Data Mining und Data Analytics)

 

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