„Die Auster als Umweltarchiv“

Ein großer Fund von rund 5.000 Austerschalen in Augsburg stammt aus der frühen Neuzeit (16. bis 18. Jahrhundert): Dr. Martinus Fesq-Martin, Lehrbeauftragter der Biogeographie am Institut für Geographie, erklärt im Interview, welche Aussagen sich über die Herkunft der Muscheln treffen lassen und wie sie für die Forschung genutzt werden.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, die 5.061 Austernschalen aus Augsburg für Ihre Forschung zu nutzen?

Dr. Martinus Fesq-Martin: Was die Auster für die Forschung einzigartig macht, ist ihre Lebensweise, Konglomerate zu bilden und auch andere Bestandteile ihrer Umwelt damit zu verkitten. Man könnte sie als Umweltarchiv bezeichnen, denn

Eine der Austernschalen aus dem umfangreichen Fund aus Augsburg M. Fesq-Martin, Stadtarchäologie Augsburg

in den Verkittungen finden sich Rückstände anderer Arten, unter anderem auch von Meerestieren wie Schnecken und verschiedenen Muschelarten.An den Augsburger Schalen haben wir einige Arten gefunden, die nur im Mittelmeer vorkommen – ein Beleg dafür, dass die in Augsburg gefundenen Austern in der nördlichen Adria geerntet wurden. Dafür sprechen auch die Untersuchungen der Schalenlöcher und der Begleitfunde.

Was wollten Sie mit der Untersuchung der Austernschalen herausfinden?

Dr. Martinus Fesq-Martin: Wir wollten einen Überblick über die Funde von Austernschalen aus der frühen Neuzeit in Südbayern gewinnen, auswerten und vergleichen. Dabei war es unser Ziel, die marine Herkunft der importierten Austern zu klären. Außerdem haben wir untersucht, ob es möglich ist, Rückschlüsse auf die Fangmethoden der Austern zu ziehen. Wir wollten wissen, in welcher Form marine Lebensräume genutzt worden sind, um möglicherweise Aussagen darüber treffen zu können, ob sie eventuell übernutzt worden sind.

 

Welche Methoden haben Sie für die Untersuchungen genutzt?

Dr. Martinus Fesq-Martin: Vor allem klassische meeresbiologische Methoden wie das Bestimmen anderer Meerestiere auf den Austernschalen wie Schnecken, Muscheln oder Kolonien von Moostierchen. Es war toll, denn mein Herz schlägt schon seit Studienzeiten für die marine Biologie. Auf den Austernschalen bleibt im Laufe der Jahrhunderte alles übrig, was selbst ein Kalkskelett bildet. Bei den Augsburger Austern waren teilweise sogar Keramik und ein Knochen mit verkittet. Zusätzlich haben wir die Größen der Austernschalen an den unterschiedlichen Fundorten in Bayern bestimmt und diese mit heutigen noch lebenden Austern verglichen.

Taucher bei der Vergleichsmessung der Austern Dr. M. Fesq-Martin

Gibt es weitere Projekte oder Fragen, denen Sie nachgehen möchten?

Dr. Martinus Fesq-Martin: In Zusammenarbeit mit der Universität Kiel wird zurzeit die genetische Vielfalt der Austern untersucht. Wir erhoffen uns, die Herkunftsgebiete der Austern mittels DNA-Analysen genauer lokalisieren zu können und möglicherweise sogar Aussagen über ihre genetische Vielfalt treffen zu können – dies ist aber noch offen.

Dr. Martinus Fesq-Martin bei seinen Forschungsarbeiten auf dem Meer Dr. M. Fesq-Martin

Weitere Projektbeteiligte

  • Studentische Abschlussarbeiten: Paula von Bremen, Alica Frey, Anna Ullmann, Jonathan Renner
  • Stadtarchäologie Augsburg, Michaela Hermann
  • Dr. Bernadette Pogoda, Arbeitsgruppe Ökologische Restauration & Meeresnaturschutz, Alfred-Wegener-Institut Bremerhaven
  • Prof. Dr. Bernd Päffgen, Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie
    und Provinzialrömische Archäologie, Ludwig-Maximilians-Universität München
  • Prof. Dr. Arne Friedmann, Professur für Biogeographie der Universität Augsburg
  • Florian Bichlmeier, Archäologischer Verein im Landkreis Freising

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