Die Lehr:werkstatt – ein Praxisbooster im Lehramtsstudium
Lehramtsstudierende und Lehrkräfte arbeiten ein Schuljahr lang in Tandems an Schulen in Augsburg und Umgebung
Im innovativen Projekt „Lehr:werkstatt“ unterrichten erfahrene Lehrkräfte gemeinsam mit Lehramtsstudierenden der Universität Augsburg jeweils ein komplettes Schuljahr gemeinsam in Tandems. Momentan sind 95 solcher Teams an Grundschulen, Realschulen und Gymnasien an Schulen in Augsburg und dem schwäbischen Umland aktiv. Was diese besondere Form der Zusammenarbeit auszeichnet und worin die Vorteile des Projekts liegen, beschreiben zwei Teilnehmerinnen an einer Grundschule. Zu zweit im Klassenzimmer – im Praktikumsprojekt „Lehr:werkstatt“ am Zentrum für Lehrer*innenbildung und interdisziplinäre Bildungsforschung (ZLbiB) und am Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und -didaktik der Universität Augsburg ist Teamteaching an der Tagesordnung. Dahinter steht die Grundidee, die universitäre Ausbildung der Lehramtsstudierenden durch einen intensiven Praxiseinblick zu ergänzen, bei dem Studierende frühzeitig die vielen Facetten ihres späteren Berufs kennenlernen, sich umfassend ausprobieren können und dabei von einer erfahrenen Lehrkraft sowie durch universitäre Angebote begleitet und unterstützt werden. Gleichzeitig profitieren die Lehrkräfte von frischen Ideen aus der akademischen Welt und erhalten Unterstützung durch die Studierenden. Vor allem aber gewinnen auch die Schülerinnen und Schüler, die in diesem Projekt durch zwei Lehrkräfte unterrichtet und betreut werden. Irene Fürhofer, begeisterte Grundschullehrerin seit vielen Jahren, bezeichnet die Lehr:werkstatt als „eine der großen Antworten auf die Anforderungen des Unterrichtens in unserer Zeit“. Sie beschreibt die Bedeutung des Projekts folgendermaßen: „Es ist beeindruckend zu sehen, wie zwei Lehrkräfte gemeinsam auf die vielfältigen Bedürfnisse und Anforderungen im Klassenzimmer eingehen können.“ Sie betont, wie wertvoll es ist, gemeinsam mit einer Lehramtsstudentin wie Carolin Rittker die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler noch besser wahrnehmen und darauf eingehen zu können. Durch das Teamteaching können sie effizienter auf Herausforderungen reagieren und eine gezieltere Förderung der Schülerinnen und Schüler sicherstellen. Sie erzählt von einer Situation, in der das Unterrichten im Tandem besonders effektiv war: „Wir hatten ein Kind, das neu in die Klasse kam und kaum Deutsch sprach. Dank der Lehr:werkstatt konnten wir uns vom ersten Moment an intensiv darum kümmern, es in die Klassengemeinschaft zu integrieren. Gerade zu Beginn konnte es phasenweise individuell betreut werden und fand so schnell Anschluss.“ Carolin Rittker, Lehramtsstudentin im dritten Semester, sieht in der Lehr:werkstatt eine wertvolle Ergänzung ihres Studiums: „Die Lehr:werkstatt bietet eine einmalige Möglichkeit, frühzeitig praktische Erfahrungen zu sammeln und sich intensiv mit dem Lehrberuf auseinanderzusetzen.“ Sie betont die Herausforderungen, vor allem aber die bereichernden Momente während des gemeinsamen Unterrichts: „Es ist intensiv, aber ich lerne unglaublich viel und sehe, wie wichtig Teamarbeit und die Vielfalt der Lehrmethoden im Klassenzimmer sind.“ Auch sie beschreibt eine konkrete Situation, die sich ihr besonders eingeprägt hat: „In einer Mathematikstunde hatten wir ein Thema, das bei einigen Kindern für Verwirrung sorgte. Sie wurden unruhig und gereizt. Als Klassenlehrerin hätte ich mich völlig überfordert gefühlt. Durch das Teamteaching konnten wir den Kindern aber unterschiedliche Erklärungsansätze anbieten. Während Irene an der Tafel arbeitete, konnte ich die Zusammenhänge zeitgleich mit unterschiedlichen Materialien darstellen. So haben wir die verschiedenen Lernstile der Kinder besser angesprochen – und letztlich haben alle Kinder mitgedacht, sich angestrengt und zum Schluss die richtige Lösung gefunden. Zu zweit sind wir der Vielfalt im Klassenzimmer wirklich gut gerecht geworden.“ Ein wichtiger Aspekt dieser intensiven Zusammenarbeit ist die sorgfältige Zusammenstellung der Tandems. Lehramtsstudierende und Lehrkräfte werden unter Beachtung ihrer Fähigkeiten, Erfahrungen und Persönlichkeiten über eine eigens für die Lehr:werkstatt entwickelte digitale Plattform miteinander „gematcht“. Stefanie Keßler, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Koordinatorin des Projekts am Zentrum für Lehrer*innenbildung und interdisziplinäre Bildungsforschung, erklärt: „Indem wir im Matchingprozess beispielsweise Persönlichkeitsmerkmale und Präferenzen in der Zusammenarbeit abfragen, möchten wir sicherstellen, dass Lehrkräfte und Studierende gut miteinander harmonieren, einander ergänzen und gerne voneinander lernen.“ Ein zentrales Element der Lehr:werkstatt ist die Begleitung und die theoretische Reflexion der praktischen Erfahrungen in einem Begleitseminar an der Universität. Eine solche theoretische Reflexion ist für die professionelle Entwicklung von Lehrkräften von entscheidender Bedeutung und fehlt beispielsweise, wenn Studierende aufgrund des Lehrkräftemangels unbegleitet eigenständig unterrichten. Die Kombination von praktischer Erfahrung mit der doppelten Begleitung durch eine erfahrene Lehrkraft und durch eine wissenschaftliche Dozentin macht die Lehr:werkstatt zu einer optimaler Lernsituation. Auch die Lehrkräfte profitieren von der Vernetzung mit der Universität, z.B. durch neue pädagogische Ansätze, die die Studierenden mitbringen. Im Rahmen der Lehr:werkstatt eigens angebotene universitäre Workshops zu Themen wie Teamteaching und Kompetenzentwicklung unterstützen die Lehrkräfte und Studierenden zusätzlich in ihrem gemeinsamen Unterricht. „Wir haben beispielsweise innovative Ideen für den Kunstunterricht entwickelt“, sagt Irene Fürhofer. „Die Kombination aus meiner Erfahrung und dem frischen Blickwinkel meiner Lehr:werkerin hat den Unterricht für die Kinder vielfältiger und interessanter gemacht.“ Carolin Rittker erzählt abschließend von einem emotional geprägten Moment während des gemeinsamen Unterrichts: „Ein Schüler war wegen einer persönlichen Situation sehr niedergeschlagen. Durch das gemeinsame Unterrichten konnten wir uns mehr Zeit für ihn und seine Bedürfnisse nehmen, uns intensiver um ihn kümmern und ihm emotionalen Beistand bieten. Ich glaube, dass wir dem Kind in einem entscheidenden Moment seines Lebens genau die Unterstützung geben konnten, die es gebraucht hat, um einen positiven Weg einzuschlagen. Das hat mir gezeigt, wie wichtig eine enge Betreuung für das Wohlbefinden und letztlich das Leben jedes einzelnen Kindes ist.“ Seit dem Start im Schuljahr 2018/19 hat sich die Lehr:werkstatt rasant entwickelt – auch in Hinblick auf die Teilnehmendenzahlen: Waren am Pionierjahrgang noch acht Tandems beteiligt, so sind inzwischen pro Jahrgang rund 100 Tandems an ca. 70 schwäbischen Grundschulen, Realschulen und Gymnasien aktiv. Schulleitungen melden regelmäßig zurück, dass die Lehr:werkstatt eine wertvolle Ressource für die Schulen bietet. Die Studierenden schätzen die hohe Bedeutung dieses praxisorientierten Ansatzes für ihre zukünftige Lehrer*innenkarriere und die Lehrkräfte nehmen eine Bereicherung des Lehrberufs durch gemeinsames Arbeiten und Lernen wahr. Auch die Lehrerin Irene Fürhofer plant bereits ihre erneute Teilnahme und betont: „Die Lehr:werkstatt ist eine unersetzliche Quelle für neue Erkenntnisse und persönliche Entwicklung.“
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„Eine der großen Antworten auf die Anforderungen des Unterrichtens in unserer Zeit“
Der Vielfalt im Klassenzimmer gut gerecht werden
It's a match
Mit 8 Tandems gestartet - heute sind rund 100 Tandems im Einsatz
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Gesamtkoordination der Lehr:werkstatt am Standort Augsburg und Koordination an Realschulen und Gymnasien
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