Krebserkennung der Zukunft
Was kleinste Tumorspuren im Blut verraten
Bei Krebserkrankungen erlaubt die sogenannte Flüssigbiopsie (Liquid Biopsy) eine sehr präzise Diagnostik, ist dabei aber viel weniger invasiv als die herkömmliche Probegewinnung von Gewebe. Der Behandlungsverlauf und -erfolg lässt sich unter Einbeziehung dieser Methode umfassender beobachten, Tumore können passgenauer behandelt werden. Eine klinische Langzeitstudie an der Universitätsmedizin Augsburg widmet sich der Frage, wie Liquid Biopsy im Klinikalltag anwendbar ist. Erste Ergebnisse wurden jüngst im Journal of Laboratory Medicine veröffentlicht. Die „Augsburger Longitudinale Plasma-Studie“ (ALPS) begleitet Menschen mit Krebs während ihrer Therapie am Universitätsklinikum. „Wir können mit dieser hochinnovativen, gleichzeitig aber einfach umsetzbaren und wenig invasiven Methode sehr wichtige Erkenntnisse über den Verlauf von Krebserkrankungen während der Therapie unserer Patienten gewinnen“, erklärt Prof. Dr. Rainer Claus. Der Professor für Personalisierte Tumormedizin und Molekulare Onkologie leitet die Studie gemeinsam mit Prof. Dr. Martin Trepel, Professor für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie. „Mit der Flüssigbiopsie finden wir Teile der Tumor-DNA im Blut der Patientinnen und Patienten, ohne dass es eines weiteren Eingriffs bedarf“, ergänzt Trepel. Den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern wurden und werden – jedes Mal, wenn sie ohnehin für ihre Krebstherapie im Klinikum sind – einige Milliliter Blut abgenommen. Liquid Biopsy kann ihren Ärztinnen und Ärzten dann vielfältige Informationen über das Erbgut des Tumors und damit über den Verlauf der Erkrankung geben. So finden sich in der Blutprobe, wie auch in einer Gewebeprobe, Teile des Erbguts des Tumors, die als sogenannte Biomarker dabei helfen, den Tumor zu charakterisieren und sowohl Prognose als auch mögliches Therapieansprechen abschätzen zu können. Die Erbinformation von einzelnen Tumorzellen liefert dabei zahlreiche wertvolle Informationen. „Die Tumorbestandteile erlauben uns genauere Aussagen darüber, wie die Prognose der Erkrankten aussieht. Wir können beobachten wie sich das Erbgut eines Tumors im Verlauf der Behandlung verändert und unsere Medikation und Behandlung darauf abstimmen, sehen aber auch, ob sich beispielsweise Resistenzen abzeichnen“, sagt Schmutz. Die Behandelnden können mittels Flüssigbiopsie Informationen auch über Tumorabsiedlungen an anderen Orten im Körper, die mit einer herkömmlichen Gewebe-Biopsie nicht erreicht werden können, erhalten – und das in einem sehr frühen Stadium. Möglich wird das durch hochempfindliche Nachweismethoden auf molekularer Ebene. Neue, hochempfindliche Methoden der DNA-Sequenzierung, also Aufschlüsselung der Erbinformationen, sind Wegbereiter der Liquid Biopsy, weil Tumor-DNA und -zellen im Blut nur in geringen Mengen vorkommen. Die Forschenden untersuchen in der ALPS-Studie außerdem, wie gut die Analyse des Tumor-Erbguts aus Blutproben mit einer klassischen Gewebebiopsie übereinstimmt. „Hoffentlich können wir dann in Zukunft auf einen Teil der Gewebe-Entnahmen verzichten, zumindest aber diese um wesentliche Aussagen zur molekularen Zusammensetzung der Tumorerkrankung als ganzes auch jenseits des kleinen biopsierten Bereichs zu ergänzen“, blickt Rainer Claus in die Zukunft. Bislang haben rund 460 Patientinnen und Patienten mit unterschiedlichen Krebsarten teilgenommen. Die Studie nimmt auch weiterhin teilnehmende Patientinnen und Patienten auf und wird alle bereits Aufgenommenen weiter auf Ihrem Behandlungspfad begleiten. >> Sommer, Sebastian, Schmutz, Maximilian et.al. "Concept and feasibility of the Augsburg Longitudinal Plasma Study (ALPS) – a prospective trial for comprehensive liquid biopsy-based longitudinal monitoring of solid cancer patients" Journal of Laboratory Medicine, vol. 48, no. 3, 2024, pp. 107-119.
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Laut dem Krebsinformationsdienst erkranken in Deutschland etwa 493.200 Menschen jährlich an Krebs. Hoffnung im Kampf gegen die gefürchtete Krankheit bringen Forschungsergebnisse, die vor allem in Richtung individueller Therapie weisen. Eine Art Meilenstein für die Tumordiagnostik und personalisierte Behandlungsansätze ist die sogenannte Liquid Biopsy. Mit diesem Verfahren, auch Flüssigbiopsie genannt, lassen sich Tumoreigenschaften im Blut der Erkrankten nachweisen. Der Tumor selbst muss nicht punktiert werden.
An der Augsburger Universitätsmedizin läuft eine Langzeitstudie, deren Ziel es ist, die tatsächlichen Einsatzmöglichkeiten dieses mittlerweile ausgereiften und bewährten Verfahrens im klinischen Alltag zu überprüfen. Erste Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift Journal of Laboratory Medicine veröffentlicht. „Es ist uns gelungen, die Anwendbarkeit der sehr innovativen Methode der Liquid Biopsy im Kontext der klinischen Routineversorgung eindrucksvoll zu demonstrieren“, sagt Dr. Maximilian Schmutz, Erstautor der Veröffentlichung.Vielfältige Informationen in wenigen Tropfen Blut
Hochempfindliche Nachweismethoden auf molekularer Ebene
Eine der Herausforderungen bei der Beurteilung der Umsetzbarkeit des Verfahrens im Klinikalltag ist es, die Liquid Biopsy nicht nur über einen längeren Zeitraum anzuwenden, sondern sie auch mit umfassenden Patientendaten, z. B. aus bildgebenden Verfahren, Laborwerten etc., zu verknüpfen und im echten Krankenhausalltag mit all seinen Abläufen zu testen. „Nur so können wir umfassende Informationen gewinnen, wie sich Tumoren unter einer Therapie verändern und erfahren, was notwendig ist, um Liquid Biopsy zukünftig in der Breite anzuwenden und hinsichtlich ihres Stellenwertes im klinischen Alltag zu evaluieren“, sagt Martin Trepel.Studienteilnahme weiterhin möglich
Ein weiteres Ziel der ALPS-Studie ist der Aufbau einer Sammlung von Liquid Biopsy-Proben für weiterführende und zukünftige wissenschaftliche Zwecke und Fragestellungen. Die Proben werden in der Augsburg Central Biobank am Universitätsklinikum mit den dazugehörigen medizinischen Daten verknüpft und stehen Forschenden auf Antrag für weitere Projekte zur Verfügung.
Informationen zur Teilnahme an der ALPS finden sich unter:
https://www.uk-augsburg.de/fileadmin/Daten/Zentren/z-Cancer_Center/Dateien/Klinische_Studien_alps_v01-08.2021_final.pdfDie Veröffentlichung
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