Pressemitteilung 135/24 - 05.12.2024

Neue Erkenntnisse zur destruktiven Quanteninterferenz

Veröffentlichung in Nature Communications

Augsburger Physikern gelingt es in Zusammenarbeit mit Forschenden anderer Universitäten erstmalig, die destruktive Quanteninterferenz bei Raumtemperatur quantitativ zu verstehen. Diese Erkenntnis aus der Grundlagenforschung ist wichtig, wenn künftig elektrische Bauteile in Molekulargröße und ultrasensitive Sensoren weiter entwickelt werden. Die Ergebnisse wurden in der höchst renommierten Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

© Universität Augsburg

Die Miniaturisierung elektrischer Schaltkreise führt aktuell zur Fertigung von Chips mit charakteristischen Strukturgrößen im Bereich weniger Nanometer. Darum ist es entscheidend, die physikalischen Gesetzmäßigkeiten des Ladungstransports auf atomaren Skalen zu kennen, die durch die Quantenmechanik beschrieben werden. Einzelmolekülkontakte, bei denen einzelne Moleküle zwei metallische Elektroden verbinden, sind die kleinsten vorstellbaren funktionalen Bauelemente. Sie dienen darum als Modellsysteme, um unser quantenmechanisches Verständnis von Nanostrukturen weiterzuentwickeln.

Für funktionale Bauelemente auf Basis einzelner Moleküle ist es wichtig, den Transport steuern zu können. Destruktive Quanteninterferenz in molekularen Verbindungen ist in diesem Zusammenhang ein Forschungsthema von großem Interesse. Die Elektronen werden dabei im Sinne des Wellen-Teilchen-Dualismus der Quantenmechanik als Wellen beschrieben. „Selbst bei Raumtemperatur können die Leitwertänderungen durch Quanteninterferenzen sehr groß sein“, sagt Prof. Fabian Pauly, dessen Gruppe an der Universität Augsburg an der Theorie des Transports durch Nanostrukturen arbeitet. „Die Abhängigkeit der destruktiven Quanteninterferenz von externen Kontrollparametern ermöglicht es, sie als ultrasensitiver Quantensensor zu verwenden.“

a) Elektrischer Leitwert als Funktion des Elektrodenabstands. Gezeigt sind gemittelte und reskalierte experimentelle Daten zusammen mit der Standardabweichung als farbig unterlegte Fläche, theoretisch ermittelte DFT+Σ-Daten mit einer elektronischen thermischen Verschmierung in den Elektroden, entsprechend einer Temperatur von T = 300 K, und neue DFT+Σ-Berechnungen, die zusätzliche Mittelungen in den Elektrodenabständen und in der Energie berücksichtigen. b) Wie Abbildung a), aber für die Thermokraft. Der Elektrodenabstand d0 ist durch das Minimum im elektrischen Leitwert festgelegt. Das Bild in der oberen linken Ecke zeigt den Einzelmolekülkontakt in der Nähe des Quanteninterferenz-Dips, wie er in den Quantentransportberechnungen genutzt wird. Aus S. van der Poel et al., Mechanoelectric sensitivity reveals destructive quantum interference in single-molecule junctions. Nat. Commun. 15, 10097 (2024); https://doi.org/10.1038/s41467-024-53825-x. © Universität Augsburg


Neue experimentelle Methode zur Rekonstruktion des destruktiven Quanteninterferenzminimums

Theoretische Modelle sagen voraus, dass destruktive Interferenzen zu einer drastischen Verringerung des elektrischen Leitwertes führen können. Allerdings sind die theoretisch erwarteten Leitwertänderungen um Größenordnungen größer als die experimentell beobachteten. „Das Verständnis dieser Diskrepanz ist von entscheidender Bedeutung, wenn wir Quanteninterferenz in Anwendungen nutzen wollen“, erklärt Pauly.

In der in Nature Communication erschienen Publikation hat die Theoriegruppe von Fabian Pauly (Universität Augsburg) mit experimentell arbeitenden Physikern unter der Leitung von Prof. Herre van der Zant (Technische Universität Delft, Niederlande) und Prof. Nicolas Agraït (Autonome Universität Madrid, Spanien) sowie der Arbeitsgruppe des organischen Chemikers Prof. Marcel Mayor (Universität Basel, Schweiz) zusammengearbeitet. Die Experimentatoren haben eine neue experimentelle Methode zur Rekonstruktion des destruktiven Quanteninterferenzminimums im elektrischen Leitwertwert unter Verwendung der intrinsischen mechanoelektrischen Empfindlichkeit eines Naphthalenophan-Moleküls entwickelt.

Das Naphthalenophan wurde speziell für diese Untersuchungen von Marcel Mayor hergestellt. Es weist einen hohen Leitwert auf und erlaubt lediglich Verschiebungen der Naphthalin-Decks gegeneinander, wenn die Abstände zwischen den Metallelektroden mechanisch manipuliert werden, während andere molekulare Freiheitsgrade unterdrückt sind. So konnte das Minimum aufgrund der destruktiven Quanteninterferenz zum ersten Mal bei Raumtemperatur genau untersucht werden, indem der elektrische Leitwert während der mechanischen Modulation des Elektrodenabstands gemessen wurde. Zusätzlich zum elektrischen Leitwert wurde auch die Thermokraft (auch Seebeck-Koeffizient genannt) bestimmt.

Bedeutung thermischer Fluktuation

„Die neu entwickelten experimentellen Methoden ermöglichen einen bisher nicht dagewesenen Vergleich mit unseren theoretischen Modellen“, erklärt Matthias Blaschke, der in der Arbeitsgruppe von Prof. Pauly seine Doktorarbeit zu diesem Thema anfertigt und entscheidend zur Publikation beigetragen hat. „Unsere Rechnungen erklären die experimentellen Daten quantitativ und decken die Bedeutung thermischer Fluktuationen auf.“

Die beschriebene Forschung stellt eine wichtige Erkenntnis in Bezug auf den Ladungstransport auf atomaren und molekularen Skalen dar. Theoretische Modelle auf Basis der Dichtefunktionaltheorie haben bisher meist statische Geometrien verwendet, in denen thermische Fluktuationen ignoriert wurden. Verbesserte Rechnungen sollten diese zukünftig berücksichtigen. Auf Anwendungsebene ermöglicht das neue Grundlagenverständnis langfristig voraussichtlich nanoskalige elektrische Bauelemente mit verbesserten Charakteristika auf Basis von Molekülen oder ultrasensitive mechanoelektrische Abstandssensoren, die quantenmechanische Interferenzen ausnutzen.

Zur Publikation

Sebastiaan van der Poel, Juan Hurtado-Gallego, Matthias Blaschke, Rubén López-Nebreda, Almudena Gallego, Marcel Mayor, Fabian Pauly, Herre S. J. van der Zant & Nicolás Agraït, Mechanoelectric sensitivity reveals destructive quantum interference in single-molecule junctions. Nature Communications 15, 10097 (2024).

https://www.nature.com/articles/s41467-024-53825-x

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