Transformationen des bayerischen Lechs. Ein 'gebändigtes' Gewässer und seine Stakeholder
Projektstart
01.02.2023
Projektträger
EU-Life-Projekt „CONTEMPO2“
Projektverantwortliche
Prof. Dr. Matthias Schmidt
Prof. Dr. Jens Soentgen
Matthias Settele
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Einst war der bayerische Lech ein typischer voralpiner Wildfluss, der dynamische Lebensräume für hochspezialisierte Tier- und Pflanzenarten bot. Heute zeigt er sich als massiv transformiertes Gewässer. Der moderne Mensch trat am bayerischen Lech als radikaler Gestalter seiner Umwelt auf und prägte so das Landschaftsbild bis heute. Doch seit einiger Zeit regt sich Widerstand und Planungen für eine ökologische Aufwertung des Flusses haben begonnen.
Das Forschungsvorhaben wirft einen Blick auf die historischen Transformationsprozesse des bayerischen Lechs und zeigt die Problematiken gegenwärtiger Renaturierungsmaßnahmen im Raum Augsburg auf. Der Lech wurde in der Vergangenheit durch massive Baumaßnahmen umgestaltet. Dabei ging es zunächst um Hochwasserschutz und die Gewinnung landwirtschaftlicher Nutzflächen bzw. Siedlungsgebiete, später um die Energieerzeugung durch Wasserkraft. Eine Vielzahl ökologischer Probleme war die Folge.
Gegenwärtig zielen mehrere Renaturierungsprojekte bei Augsburg darauf, den Lech in einen naturnäheren Zustand zu überführen. Ein LIFE-Projekt (L’Instrument Financier pour l’Environnement) namens „CONTEMPO2“, das von der Lechwerke AG, einem regionalen Wasserkraftbetreiber, initiiert und zu 60% von der EU gefördert wird, zielt beispielsweise auf die Reaktivierung und Anbindung von Seitengewässern des Lechs. Der Projektname steht für „Controlling temperature and oxygen“. Im Rahmen des Projekts sollen die Auswirkungen des Klimawandels berücksichtigt und eine Strategie zur Stärkung der Klimaresilienz des Gewässers verfolgt werden. Die hydrologische Situation am Lech ist durch vielfältige anthropogene Einflussfaktoren wie Kühlwassereinleitungen, Energiegewinnung, Stauhaltung und Veränderungen der Gewässerstruktur geprägt und wird durch den voranschreitenden Klimawandel weiter verschärft. Daher wird im Rahmen von „CONTEMPO2“ versucht Habitate herzustellen, in denen die Wassertemperatur niedrig und der Sauerstoffgehalt hoch ist, um insbesondere den rheophilen Spezies geeignete Lebensbedingungen zu bieten.
Im Rahmen des Dissertationsvorhabens wird eine sozialwissenschaftliche Untersuchung der Akteurslandschaft am Lech bei Augsburg durchgeführt, um die soziopolitischen Transformationsdebatten zu dokumentieren und zu analysieren. Damit soll das innerökologische Konfliktfeld zwischen klimafreundlicher Wasserkraftnutzung und Naturschutz besser überblickt und mögliche Kompromisse identifiziert werden. Dem Forschungskonzept der Politischen Ökologie folgend werden mit Methoden der empirischen qualitativen Sozialforschung Akteure und deren oftmals konfligierenden Interessen identifiziert und untersucht. Durch leitfadengestützte Experten-Interviews und einer anschließenden qualitativen Inhaltsanalyse können Wertvorstellungen, Interessen, Ziele und Machtpositionen der Stakeholder erfasst, analysiert und in die größeren Zusammenhänge lokaler, regionaler und globaler Perspektiven eingebettet werden.
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