Human-made Disaster at Lake Urmia (Iran)
Projektzeitraum
01.01.2020 - 31.12.2022
Projektträger
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Projektverantwortliche
Prof. Dr. Matthias Schmidt
Robert Gonda, M.Sc.
Sebastian Transiskus, M.Sc.
Der anthropogene Klimawandel und die Ausbeutung natürlicher Ressourcen bedrohen Gesellschaften und Ökosysteme weltweit. Der Seespiegel des im Nordwesten des Iran gelegenen Urmiasees, der vormals zweitgrößte Salzsee der Erde, ist seit Mitte der 1990er Jahre als Folge des Klimawandels sowie exzessivem Wasserverbrauch im Einzugsgebiet stark gesunken. Zu den Folgen dieses Umweltdesasters zählen die Degradation von Böden und Süßwasserressourcen, die Gefährdung von Gesundheit und Ernährungssicherheit, sowie Wirtschaftskrisen und Arbeitslosigkeit. Betroffen sind ca. 6,5 Mio. Menschen, die in einem Umkreis von ca. 100km rund um den Urmiasee leben. Dies macht die Region zu einem idealen Fallstudiengebiet für die Erforschung des Zusammenspiels katastrophaler Umweltveränderungen, sozioökonomischer Konsequenzen und lokaler Anpassungsstrategien.
Das Forschungsprojekt beinhaltet zwei Teilprojekte. Das erste Projekt mit dem Titel „Environmental Change and Migration at Lake Urmia“, durchgeführt von Sebastian Transiskus, betrachtet die komplexen Ursachen und Folgen von potentiell durch Umweltdegradation ausgelösten aktuellen Migrationsprozessen, während das zweite Teilprojekt „Managing Scarcity: Political Ecology of the Hydrosocial Cycle at Lake Urmia“ von Robert Gonda die Transformationen lokaler Praktiken des Wasser- und Ressourcenmanagements untersucht. Beide Projekte beinhalten empirische Feldforschungen vor Ort, deren Ziele durch eine Kombination von quantitativen Haushaltsbefragungen, halbstandardisierten Expertengesprächen, narrativen Interviews und teilnehmender Beobachtung erreicht werden.
Im Fokus des ersten Projekts steht die Frage, wie sich die fortschreitende Umweltdegradation und die damit einhergehende Zerstörung lokaler Existenzgrundlagen am Urmiasee auf Migrationsprozesse und andere Anpassungsstrategien von betroffenen Individuen, Haushalten und Gemeinden auswirkt. Ökologische, ökonomische, gesellschaftliche und politische Faktoren sind eng miteinander verwoben und müssen gemeinsam betrachtet werden, um die Rolle von Umweltfaktoren bei Bevölkerungsbewegungen zu verstehen.
Ziel ist es, ein besseres Verständnis von der Relevanz von lokalen Umweltfaktoren in Migrationsentscheidungen zu gewinnen sowie Erkenntnisse darüber zu erlangen, welche Rolle Migration für die Schaffung von Resilienz in den von Umweltdegradation betroffenen Regionen spielt, bspw. durch die positiven Effekte von Geldrücksendungen.
Das zweite Unterfangen zielt darauf, gesellschaftliche, ökonomische, politische, institutionelle und kulturelle Dimensionen des Wassermanagements zu identifizieren und die hydro-sozialen Wechselwirkungen aus der Perspektive lokaler Landwirte im Urmia- Gebiet aufzuzeigen. Ein Fokus liegt auf dem praktizierten Wassermanagement in der Urmia-Region und wie sich dieses in jüngster Zeit angesichts der krisenhaften Umweltdegradation verändert hat. Das Projekt versucht Reibungspunkte zwischen staatlichen Regularien, integrierten Wassermanagementlösungen und lokalen Interessen zu identifizieren. Hierfür wird empirisch das lokal praktizierte Wassermanagement im Kontext der soziokulturellen, soziopolitischen und sozioökonomischen Rahmenbedingungen analysiert.