Kohleverstromungsbeendigungsgesetz ist verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt
Mit dem Kohleverstromungsbeendigungsgesetz (KVBG) wurden die Ausstiegspfade aus der Steinkohle- und der Braunkohleverstromung kodifiziert. Prof. Dr. Martin Kment hat herausgearbeitet, dass sich das KVBG verschiedensten verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt sieht, insbesondere im Hinblick auf den Ausstieg aus der Steinkohleverstromung. Der Ausstieg erfolgt zwar schrittweise und nicht übergangslos. Für Kraftwerke, die den Amortisationszeitraum von rund 25 Jahren bis zu ihrer Stilllegung nicht mehr erreichen können, ist der Ausstiegspfad allerdings problembehaftet. Betreiber solcher Kraftwerke können sich deshalb berechtigte Chancen ausrechnen, wenn sie in Karlsruhe Verstöße gegen ihre Eigentumsgarantie geltend machen. Diese Perspektive wird für die jüngeren Kraftwerke auch nicht durch die Härtefall- und Sonderregelungen des KVBG eingetrübt. Insbesondere § 54 KVBG enthält lediglich verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeiten, in dem (wiederholt) geprüft werden soll, ob der Ausstieg zu unzumutbaren Härten führt und gegebenenfalls nachträgliche Ausgleichsregelungen geschaffen werden müssen. Die bisherige Entschädigungslosigkeit im Rahmen der gesetzlichen Reduzierung ist erkennbar unzureichend und kann nicht nur im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 GG gerügt werden. Hinzu kommt, dass die Aushebelung der Entschädigungsregelung des § 21 Abs. 4 S. 1 BImSchG gegen Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 GG verstößt.
Auch die Prüfung des Art. 3 I GG verursacht aus Sicht von Prof. Kment Unbehagen: Dies gilt zunächst für die staatliche Differenzierung zwischen einzelnen Steinkohlekraftwerken. Während die Netzrelevanz der Steinkohlekraftwerke ein sachgerechtes Differenzierungskriterium für deren Ungleichbehandlung ist, fehlt ein solches für die Ungleichbehandlung in den verschiedenen Ausstiegsphasen oder die Ungleichbehandlung älterer und jüngerer Steinkohlekraftwerke. Darüber hinaus ist die Berücksichtigung der historischen Emissionen und das damit verbundene Außerachtlassen des tatsächlichen Reduktionspotentials der Steinkohlekraftwerke sachwidrig. Des Weiteren ist die Unterscheidung zwischen Stein- und Braunkohlekraftwerken problembehaftet: Beide haben zwar ihre individuellen Merkmale. Die im KVBG angelegte, derart differenzierte Behandlung kann aber nicht mit den strukturellen Unterschieden beider Kraftwerkstypen begründet werden. Die Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Abbaugebiete im Rahmen der Braunkohleverstromung ist kein geeigneter Differenzierungsgrund, da maßgeblich Aspekte berücksichtigt werden, die nicht unmittelbar die Kraftwerke betreffen. Und obwohl sowohl die Betreiber der Braunkohlekraftwerke als auch die Betreiber der Steinkohlekraftwerke Verluste durch die Beendigung der Stromvermarktung erleiden, erfahren lediglich erstere dafür eine Kompensation. Dies stellt Betreiber der Steinkohlekraftwerke deutlich schlechter und genügt damit nicht den Verfassungsgarantien der Bundesrepublik Deutschland.
Weitere Einzelheiten können nachgelesen werden bei Kment, Gesetzlicher Ausstieg aus der Steinkohle – Verfassungsrechtliche Bewertung des Ausschreibungsverfahrens nach dem KVBG (zusammen mit Fimpel), Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl) 2022, S.947-958