INspiRE Jean-Monnet-Centre of Excellence - Rechtsprechungskomplexe: Heizkörper-Rechtsprechung
Heizkörper-Rechtsprechung
In diesem Verfahren befasste sich der OGH (Obersten Gerichtshof der Republik Österreich) mit der bisherigen Rechtsprechung des EuGH zu Fragen des Gewährleistungsrechts im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufes.
Der Kläger hatte bei der Beklagten mehrere Heizkörper gekauft und selbst eingebaut. Erst nach dem Einbau stellte er Mängel fest. Die Verkäuferin bot die Lieferung neuer und Abholung der mangelhaften Heizkörper an, verweigerte allerdings die Demontage der mangelhaften Heizkörper. Daraufhin demontierte und entsorgte der Käufer die Heizkörper selbst. Er forderte von der Beklagten den Betrag, der für die Demontage und Entsorgung der mangelhaften Heizkörper und die Lieferung und Montage neuer Heizkörper anfallen würde.
Der OGH nimmt im vorliegenden Fall Bezug auf ein Urteil des EuGH (Urt. v. 16.6.2011, C-65/09 und C-87/09, EU:C:2011:396 – Weber/Putz/Fliesen), das in einem anderen Verfahren zu Auslegungsfragen der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie (Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, ABl. L 171, S. 12), insbesondere zur Tragung der Aus- und Einbaukosten bei Lieferung mangelhafter Fliesen, ergangen war. Grundlage für die Vorlage beim EuGH war das ebenfalls bei INspiRE zu findende deutsche Verfahren BGH, Urt. v. 21.12.2011, VIII ZR 70/08 – Weber/Putz/Fliesen.
Der EuGH entschied, dass Art. 3 Abs. 2 und 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie dahingehend auszulegen sind, dass der Verkäufer im Rahmen der Mängelgewährleistung verschuldensunabhängig entweder die Kosten für Aus- und Einbau tragen oder den Aus- und Einbau selbst vornehmen muss.
Der OGH folgte dem EuGH und stellte fest, dass die Verkäuferin grundsätzlich den Ausbau der mangelhaften Heizkörper und Einbau der Ersatzheizkörper oder die entsprechenden Kosten, die für den Aus- und Einbau angefallen wären schuldet.
Da im konkreten Fall die Beklagte nur die Lieferung neuer und die Abholung der mangelhaften Heizkörper anbot, sei sie mit ihren Gewährleistungspflichten in Verzug gewesen und der Kläger konnte wirksam vom Vertrag zurücktreten, ohne das Prinzip des Vorrangs der Nacherfüllung zu unterlaufen. Da der Kläger selbst den Ausbau der mangelhaften Heizkörper veranlasste, hätte er Ersatz für diese Kosten vom Beklagten im Rahmen einer Geschäftsführung ohne Auftrag verlangen können. Diesen Anspruch hat der Kläger aber nicht näher beziffert. Außerdem wäre ihm ein Ersatzanspruch für fiktive Einbaukosten grundsätzlich zugestanden, allerdings verfolgte der Kläger diesen im Laufe des Rechtsmittelverfahrens nicht mehr.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die österreichischen Gewährleistungsvorschriften (insbesondere § 932 ABGB) im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung und Rechtsfortbildung so zu verstehen sind, dass die Aus- und Einbaukosten bei mangelhafter Lieferung beim Verbraucherkauf vom Verkäufer getragen werden müssen oder dieser den Aus- und Einbau vornehmen muss.
Eine Verankerung dieser Rechtsprechung im Gesetz hat, anders als in Deutschland, in Österreich noch nicht stattgefunden.
Zur Fliesen-Rechtsprechung siehe:
Fliesen-Rechtsprechung
Urteile
OGH, Urt. V. 10.7.2012, 4 Ob 80/12m, AT:OGH0002:2012:0040OB00080.12M.0710.000 – Heizkörper = JBl 2013, 180; Zak 2012, 296; Jus-Extra OGH-Z 5201; RZ 2013 EÜ8; bau aktuell 2012, 189; bbl 2012, 232; RdW 2012, 594; AnwBl 2013, 189; ecolex 2013, 116 (Wilhelm)
EuGH, Urt. v. 16.6.2011, C-65/09 und C-87/09, EU:C:2011:396 – Gebr. Weber GmbH gegen Jürgen Wittmer (C-65/09) und Ingrid Putz gegen Medianess Electronics GmbH (C-87/09)