European Union

Schienenkartell-Rechtsprechung

Das LG Dortmund (Urt. v. 13.09.2017, 8 O 30/16 [Kart], DE:LGDO:2017:0913.8O30.16KART.00) hatte zu entscheiden, ob eine Schiedsgerichtsvereinbarung, die in einem Liefervertrag zwischen Klägerin und Beklagten vereinbart wurde auch kartellschadensersatzrechtliche Ansprüche miterfasst. Fraglich war, ob die Ausführungen des EuGH zu Gerichtsstandsvereinbarungen in einem anderen kartellrechtlichen Verfahren (Urt. v. 21.05.2015 C-352/13, EU:C:2015:335 – Cartel Damage Claims (CDC) Hydrogen Peroxide SA gegen Akzo Nobel NV u. a.) im vorliegenden Fall ebenfalls Anwendung finden.
Der EuGH musste im CDC-Verfahren entscheiden, ob das unionsrechtliche Gebot effektiver Durchsetzung des Kartellverbots es zulässt, dass bei Schadensersatz wegen Zuwiderhandlung gegen ein Kartellverbot eine Schieds- und Gerichtsstandsklausel berücksichtigt werden kann, auch wenn diese zur Derogation eines international zuständigen Gerichts führt. Im Rahmen der Auslegung von Art. 5 Nr. 3 und Art. 6 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 21, S. 1) hat er festgestellt, dass eine Gerichtsstandklausel nur Anwendung auf kartellrechtliche Schadensersatzansprüche findet, wenn im Zeitpunkt der Zustimmung zur Klausel für den Geschädigten vorhersehbar war, dass auch Ansprüche aus Verletzung des Kartellverbots darunterfallen. Allerdings stellte der EuGH auch fest, dass dies regelmäßig zu verneinen ist, da das geschädigte Unternehmen zu dem oben genannten Zeitpunkt keine Kenntnis der Beteiligung seines Vertragspartners am rechtswidrigen Kartell hat.
Zusätzlich sollen kartellrechtliche Schadensersatzansprüche nur dann von Gerichtsstandsklauseln erfasst sein, wenn sie sich auch auf Streitigkeiten aus Haftung wegen Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht beziehen. Nur unter diesen Voraussetzungen können solche Klauseln zur Derogation eines international zuständigen Gerichts führen.
Das LG Dortmund stellt im vorliegenden Verfahren (Urt. v. 13.09.2017, 8 O 30/16 [Kart], DE:LGDO:2017:0913.8O30.16KART.00, NZKart 2017, 604) zunächst fest, dass Kartellverstöße und daraus folgende Kartellschadensersatzklagen grundsätzlich nach deutschem Recht schiedsfähig sind und die Ausführungen des EuGH im CDC-Verfahren nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar sind. Es führt in seiner Entscheidung aus, dass das Argument fehlender Vorhersehbarkeit nicht überzeugt, da auch bei anderen Vertragsverletzungen, wie bei der arglistigen Täuschung, der entsprechende Umstand zwingendermaßen einer der Parteien nicht bekannt war. Außerdem sei kein Grundsatz bekannt, dass Aspekte, die für Gerichtsstandvereinbarungen gelten auch für Schiedsvereinbarungen, wie im hier entschiedenen Fall, Anwendung finden. Zudem hat das LG Dortmund dargelegt, dass das Schiedsverfahrensrecht im Ausgangspunkt rein nationales Recht ist und nach Art. 1 Abs. 2 lit. d) EuGVVO ausdrücklich vom Anwendungsbereich der oben genannten Verordnung ausgenommen ist. Eine Vorlage der strittigen Fragen zu Schiedsvereinbarungen beim EuGH wurde im vorliegenden Verfahren nicht durchgeführt.
Im Ergebnis urteilte das Gericht (anders als beispielsweise niederländische Gerichte), dass jedenfalls keine Übertragbarkeit der EuGH-Rechtsprechung zu Gerichtsstandsvereinbarungen auf Schiedsvereinbarungen gegeben ist und deshalb die Schiedsvereinbarung auch in Bezug auf die kartellrechtlichen Schadensersatzansprüche Anwendung findet, die Klage vor dem LG Dortmund mithin unzulässig ist.

 

Professor Möllers

 

Urteile

LG Dortmund, Urt. v. 13.09.2017, 8 O 30/16 [Kart] – Schienenkartell = NZKart 2017, 604–607; WuW 2017, 621–624

 

LG Urteil deutsch

 

LG Urteil englisch

EuGH, Urt. v. 21.05.2015, C-352/13, EU:C:2015:335 – Cartel Damage Claims (CDC) Hydrogen Peroxide SA gegen Akzo Nobel NV u. a.

 

EuGH Urteil deutsch

 

EuGH Urteil englisch

 

EuGH Urteil französich

 

 

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