Karl Eschweiler (1896-1936)
Der rheinische Fundamentaltheologe Dr. phil. Dr. theol. Karl Eschweiler (* 5.9.1886 in Euskirchen, † 30.9.1936 in Berlin) gehört zu den interessantesten Gestalten in der katholischen Theologie der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Nachdem Eschweiler noch während seines Theologiestudiums in München bei Georg von Hertling mit einer kleineren Arbeit zur Religionsphilosophie des hl. Augustinus zum "Dr. phil." promoviert worden war, nahm er nach dem Empfang der Priesterweihe (1911) zunächst den seelsorglichen Dienst im Erzbistum Köln auf. Im Ersten Weltkrieg diente er als Divisionspfarrer an der Westfront. Nach dem Krieg wurde er zu weiteren theologischen Studien in Bonn freigestellt und arbeitete dort einige Jahre in der Priesterausbildung. Als Privatdozent in Bonn (1922-1928) und anschließend als Professor für Dogmatik an der Staatlichen Akademie Braunsberg/Ostpreußen hat er sich nicht nur als Experte für die Theologiegeschichte zwischen Tridentinum und Erstem Vatikanum einen Namen gemacht, sondern auch wichtige Impulse für eine systematische Neuausrichtung seines Faches, namentlich der theologischen Erkenntnislehre, auf der Grundlage eines lebendigen Thomismus geliefert. Vor allem sein Buch "Die zwei Wege der neueren Theologie" (von 1926) löste heftige Kontroversen aus, die ihren Niederschlag in zahlreichen zeitgenössischen Rezensionen gefunden haben.
Der Name Eschweilers ist bis heute noch in einem weiteren Kontext präsent: Nach 1933 zählte er zu den wenigen akademischen Theologen im katholischen Bereich, die nicht bloß in die NSDAP eintraten, sondern darüber hinaus publizistisch wie universitätspolitisch mit Nachdruck den Staat Adolf Hitlers unterstützten und dadurch in scharfe Konflikte mit ihrer eigenen Kirche gerieten. Eschweilers persönliche Freundschaft zum Staatsrechtler Carl Schmitt und der Einfluss, den dessen Denken auf ihn ausübte, eröffnen eine weitere hochaktuelle Perspektive.
In einem umfassenden, über mehrere Jahre laufenden Forschungsvorhaben wurde der Versuch unternommen, sowohl eine zuverlässige wissenschaftliche Biographie Eschweilers zu erarbeiten als auch seine theologische Bedeutung durch umfassende Sichtung des z. T. unveröffentlichten Werkes und dessen Interpretation (in enger Rückbindung an die biographische Entwicklung des Theologen) zu erschließen. Die Ergebnisse des Eschweiler-Projekts sollten 2010/11 in drei Schritten präsentiert werden:
(1) Digitale Editionen
(a) Eschweilers Hauptwerk: "Die zwei Wege der neueren Theologie" (1926)
Das erstmals 1926 im Augsburger Verlag von Benno Filser erschienene Buch, das Eschweiler während seiner Zeit als Privatdozent in Bonn verfasste, machte ihn auf einen Schlag innerhalb der deutschen Theologie bekannt, aber auch umstritten. Ziel des Werkes ist eine wissenschaftstheoretische Neubegründung der Theologie. Sie wird unternommen auf dem Hintergrund einer historischen Sichtung des Schicksals der theologischen Erkenntnislehre und apologetischen Methode seit der Aufklärungszeit, die paradigmatisch in ihren beiden "Hauptwegen" zur Darstellung kommt: dem "theologischen Rationalismus" (repräsentiert durch den Bonner Dogmatiker Georg Hermes, † 1831), und einer "Theologie aus dem Glauben" (für die beispielhaft Matthias Joseph Scheeben, † 1888, vorgestellt wird). Im Anschluss skizziert Eschweiler sein eigenes Programm einer Theologie, der es gelingt, den in der theologischen Erkenntnislehre der Neuzeit immer wieder auftretenden Spannungen in der Glaubensanalyse zu entkommen durch eine Neubesinnung auf das eigentümliche Formalobjekt theologischer Erkenntnis.
Die digitale Edition der "Zwei Wege" (in einer durchsuchbaren, ausdruckbaren und z. T. durch Hyperlinks erschlossenen Textdatei) möchte die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Eschweilers Hauptwerk erleichtern. Die Präsentation des Textes schließt sich eng an die seit langem nur noch antiquarisch zugängliche Druckausgabe von 1926 an und ermöglicht die Zitierung nach deren Seitenzahlen. Die digitale Version ist seit August 2010 kostenfrei im pdf-Format über den OPUS-Dokumentenserver der Universität Augsburg zugänglich.
(b) Eschweilers philosophische Dissertationsschrift: "Die ästhetischen Elemente in der Religionsphilosophie des Hl. Augustin" (1909)
Mit der vorliegenden kurzen Studie (57 S.) erwarb Karl Eschweiler (1886-1936) im Jahr 1909 den Grad eines "Dr. phil." an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Betreut wurde die Arbeit durch den als Philosophen wie Politiker bekannten Georg von Hertling (1843-1919).
Der Blick auf Gott als das „intelligible Schöne“, so weist Eschweilers Promotion nach, steht bei Augustinus stets in Verbindung mit einer „natürlichen Veranlagung (...) zum ästhetischen Fühlen“. Denn der innerste Kern der Erfahrung des Schönen – vor allem gerichtet auf zahlenmäßige Ordnung und Rhythmus – verweist auf eine Partizipation der Dinge an der „Urschönheit“ Gottes. Auf einer noch tieferen Ebene wird nach Eschweiler Augustins Zugang zu Gott über das ästhetische Erleben begreifbar, wenn man dessen ethische Dimension miteinbezieht. Höchste Schönheit ist stets Schönheit der Seele in der Anerkennung des Guten. Das neuplatonische kalokagathia-Ideal erhält bei Augustinus dadurch eine religiöse Dimension, dass in psychologischer Hinsicht das Streben nach vollkommenem Glück als Streben nach höchster Freude und Lust erfahren wird. Das Gute wird immer als das Schöne geliebt, dessen Erwerb Gefallen und Genuss schenkt. Das Schlusskapitel der philosophischen Dissertation zeigt auf, wie Augustinus sogar noch die Theodizeefrage mit explizit ästhetischen Argumenten anzugehen sucht.
Die vorliegende digitale Ausgabe schließt sich in Textgestaltung und Paginierung so eng wie möglich an die originale Printausgabe (Euskirchen 1909) an. Beigefügt ist ein Nachwort des Herausgebers (1*-5*).
(2) Gemeinsame Publikation der bislang unveröffentlichten theologischen Qualifikationsschriften Karl Eschweilers (Bonn 1921/22) unter dem Titel "Die katholische Theologie im Zeitalter des deutschen Idealismus"
Eschweiler hatte die Veröffentlichung seiner Dissertationsschrift, die er in Bonn unter Leitung des Fundamentaltheologen Arnold Rademacher verfasst und 1921 eingereicht hatte ("Der theologische Rationalismus von der Aufklärung bis zum Vatikanum. Ideengeschichtliche Studien zur theologischen Erkenntnislehre") gemeinsam mit der 1922 ebenfalls in Bonn unter Rademacher angenommenen Habilitationsschrift ("Die Erlebnistheologie Joh. Mich. Sailers als Grundlegung des theologischen Fideismus in der vorvatikanischen Theologie. Ein ideengeschichtlicher Beitrag zur theologischen Erkenntnislehre") im Vorwort der "Zwei Wege" noch für das Jahr 1926 angekündigt. Aus nicht mehr klar zu rekonstruierenden Gründen ist es zu dieser Publikation niemals gekommen. Zudem waren die Arbeiten selbst in ungedruckter Form bislang in Bibliotheken und Archiven nirgends nachzuweisen. Nachdem im Zuge unseres Eschweiler-Projekts beide Typoskripte wiedergefunden werden konnten, sollten sie unter dem vom Verfasser selbst vorgesehenen Titel 2010 erstmals gedruckt erscheinen. Die Texte lassen Eschweilers theologiehistorische Einschätzung zur Genese neuzeitlicher Apologetik noch detaillierter als in den "Zwei Wegen" erkennbar werden und eröffnen wichtige Verständniszugänge zu den dort entfalteten systematischen Thesen. Die quellennahen Analysen, die Eschweiler u.a. den Schriften Benedikt Stattlers und Johann Michael Sailers gewidmet hat, leisten auch noch rund 90 Jahre nach ihrer Entstehung einen interessanten Beitrag zur Erforschung der katholischen Theologie in ihrer Auseinandersetzung mit der philosophischen Moderne.
Eine ausführliche Einleitung des Herausgebers ordnet die beiden gemeinsam edierten Schriften in den Kontext von Leben und Werk Eschweilers ein, stellt sie in ihren zentralen Aussagen vor und bewertet sie im Licht der seitdem fortgeschrittenen theologischen Forschung.
Der Band ist im Buchhandel nicht mehr erhältlich, dafür kostenfrei im pdf-Format über den OPUS-Dokumentenserver der Universität Augsburg zugänglich.
(3) Monographie: Thomas Marschler, Karl Eschweiler (1886-1936). Theologische Erkenntnislehre und nationalsozialistische Ideologie
Das wichtigste Resultat des Eschweiler-Projekts stellt eine umfassende Monographie dar (440 S.), die 2011 im Verlag Pustet (Regensburg) in der Reihe „Quellen und Studien zur neueren Theologiegeschichte“ erschienen ist. In Anknüpfung an Ergebnisse, die vom Vf. bereits in der Studie „Kirchenrecht im Bannkreis Carl Schmitts. Hans Barion vor und nach 1933“ (Bonn 2004) vorgelegt werden konnten, möchte das Buch sowohl die theologische wie die zeitgeschichtliche Bedeutung der Gestalt Karl Eschweilers erhellen, indem es (1.) aus den verfügbaren gedruckten und archivalischen Quellen eine umfassende biographische Darstellung erarbeitet, (2.) das ursprüngliche theologische Anliegen Eschweilers und dessen Rezeption in der zeitgenössischen Debatte vorstellt, (3.) dabei bislang ungedruckte Textquellen unterschiedlicher Art aus verschiedenen Phasen von Eschweilers Wirkens heranzieht und (4.) ausführlich Eschweilers Hinwendung zum Nationalsozialismus dokumentiert und im Kontext der aktuellen Forschungsbemühungen zur Situierung katholischer Theologie nach 1933 zu interpretieren sucht. Abschließend kann (5.) die Frage nach der bleibenden Bedeutung des Theologen Eschweiler, aber auch nach den Gründen für seine politische und ideologische Verirrung im Nationalsozialismus gestellt werden.
Das im März 2011 erschienene Buch ist inzwischen über den Publikationsserver OPUS der Universität Augsburg kostenfrei im pdf-Format digital verfügbar.