Prof. Dr. Marco Roos hält Antrittsvorlesung an der Universität Augsburg
Ein Prolog sei, so zitierte Prof. Roos aus dem Duden, „das Vorspiel eines dramatischen Werks“ und spanne damit den Bogen vom Landarzt alter Schule, der als Einzelkämpfer 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche für seine Patientinnen und Patienten da war, zu den heutigen Team-Praxen. „Dieser Typus des alten Landarztes ist vom Aussterben bedroht. Und das ist vielleicht auch gut so“, sagte Prof. Roos und verwies mit Blick auf die schlechten Arbeitsbedingungen auf das Gutachten des Sachverständigen Rates zur Beurteilung des Gesundheitswesens, in dem bereits 2009 vor einem Hausärztemangel deutlich gewarnt wurde: „Es ist absehbar, dass die hausärztliche Versorgung vor allem im ländlichen Bereich gefährdet ist, sodass hier spezielle Maßnahmen erforderlich sind. Auch die Bayerische Landesärztekammer hat prognostiziert, dass bis 2025 alle Regionen unterversorgt sein werden. Bereits jetzt sind in Bayern über 400 Hausarztsitze nicht besetzt. Wir sind mitten im Hausärztemangel angekommen.“ Schon während seines Studiums, so erzählt Prof. Roos, sei es ihm immer klar gewesen, anschließend in die Allgemeinmedizin zu gehen. „Aber bei einem Austausch mit jungen Kollegen wurde schnell klar, dass dies gar nicht so einfach ist. Die Weiterbildung war zwar festgeschrieben, aber es fehlten Rotationsmöglichkeiten. Und bei einem europäischen Vergleich wurde schnell klar, dass die Weiterbildung in der Allgemeinmedizin in Deutschland in keiner Weise dem internationalen Standard der Facharztausbildung entspricht“, erinnerte sich Prof. Roos, der zu den Mitbegründern der Jungen Allgemeinmedizin Jade gehört. Der Schluss, den man damals aus dieser ernüchternden Erkenntnis gezogen hatte, war klar: „Es braucht Konzepte, um die Struktur in der Weiterbildung zu verändern“, so Prof. Roos. Ein Ergebnis daraus sei die mittlerweile in ganz Deutschland implementierte Verbundweiterbildung. So haben 2011 in Bayern die Kassenärztliche Vereinigung, die Bayerische Landesärztekammer, die Bayerische Krankenhausgesellschaft und der Bayerische Hausärzteverband die Koordinierungsstelle Allgemeinmedizin (KoStA) gegründet, die mittlerweile über 76 Weiterbildungsverbünde verfügt. Prof. Roos: „Jeder, der das Ziel hat, Facharzt für Allgemeinmedizin zu werden, kann die Weiterbildung ohne Lücken in fünf Jahren absolvieren.“ Um die Ausbildung weiter zu verbessern, wurde 2017 das Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin Bayern geschaffen, dass Prof. Roos seit der Gründung leitet und dessen Sitz jetzt an der Universität Augsburg ist. „Damit bringen wir alle, die in die Weiterbildung Allgemeinmedizin involviert sind, an einen Tisch“, so Prof. Roos und nennt als konkrete Ergebnisse ein Mentorenprogramm. „Wir haben aktuell 600 junge Ärztinnen und Ärzte, die beim Kompetenzzentrum eingeschrieben sind.“ Erste Ergebnisse seien bereits sichtbar. So habe sich die Anzahl der Ärtzinnen und Ärzte im ambulanten Bereich, deren Weiterbildung gefördert wird, von 675 im Jahr 2010 auf 1743 im Jahr 2020 fast verdreifacht. Noch deutlicher ist die Steigerung bei den Facharztanerkennungen in der Allgemeinmedizin. 2009/2010 waren es 97, 2019/2020 sind es 369, was fast einer Vervierfachung entspricht. Prof. Roos: „Auch in Zukunft möchte ich meinen Fokus auf die Weiterbildung legen.“ In ihrer Begrüßung hatte zuvor die Dekanin der Medizinischen Fakultät, Prof. Martina Kadmon, ihren neuen Kollegen, den sie noch aus dessen Studienzeit an der Universität Heidelberg kennt, als „hervorragenden Organisator“ gelobt. Prof. Kadmon: „Immer wenn Marco Roos da war, haben wir uns zurückgelehnt, weil klar war, dass nichts schief gehen kann.“ Zu den ersten Gratulanten gehörte auch Dr. Jakob Berger, Bezirksvorsitzender Schwaben des Bayerischen Hausärzteverbandes und Vorstand der Stiftung Bayerischer Hausärzteverband, deren Ziel es ist, Studierende für die Allgemeinmedizin zu begeistern. Neben Prof. Roos hielten noch zwei weitere Professoren ihre Antrittsvorlesungen. Das Thema von Prof. Dr. Nina Ditsch, die die Professur für Operative und Konservative Senologie inne hat, lautete: "Von der Aufklärung über die Intervention zur Forschung - Erste Studien-Ergebnisse aus der Senologie in Augsburg".
Und Prof. Dr. Alkomiet Hasan, Inhaber des Lehrstuhls für Psychiatrie und Psychotherapie, referierte über „Drei Jahre psychiatrisch-psychotherapeutische Forschung in Augsburg: von Mechanismen zu Menschen“.