Forschung
Aktuelles Projekt
Geschichte der Deutschen Literatur von den Anfängen bis zum Beginn der Neuzeit, Bd. III/2, Die Literatur des 15. und frühen 16. Jahrhunderts; Teil1: Modelle literarischen Interessenbildung (erscheint 2020)
Abgeschlossene Projekte
Anthologie zur 'Unterscheidung der Geister'. 'Probate spiritus'-Kompilation und Traktate - Edition und Kommentierung
Das Projekt dient der Erschließung zentraler volkssprachlicher Schriften aus dem Kontext der 'Unterscheidung der Geister' (Discretio spirituum) durch eine Edition auf Grundlage der jeweils schmalen Gesamtüberlieferung mit begleitendem Kommentar. Bei der 'Unterscheidung der Geister' handelt es sich um eines der aktuellsten und am meisten diskutierten Themen innerhalb der religiösen Literatur des Spätmittelalters, das insbesondere im mystischen Diskurs des 13. bis 15. Jahrhunderts eine entscheidende Rolle spielt. Denn alle körperlichen und mentalen Praktiken zur Erlangung einer größtmöglichen Gottesnähe bedurften einer kontinuierlichen Fremd- und Selbstkontrolle, um die Gefahr einer Täuschung durch die Natur oder den Teufel abzuwehren. Die Unterscheidungsschriften sind daher Dokumente einer 'moralischen Psychologie', deren Dynamik gerade im Bereich der deutschen religiösen Literatur noch der Erforschung bedarf. Denn anhand der unterschiedlichen Gewichtung und Definition der vier klassischen 'Geister' Gott, Engel, Teufel und Natur sowie aufgrund der variierenden Unterscheidungskriterien lassen sich aufschlussreiche Beobachtungen zu Transformationsprozessen im spirituellen, theologischen und anthropologischen Diskurs des Spätmittelalters machen. Die Übertragung dieser Diskurse in die Volkssprache ist ein markanter Teil des Transformationsprozesses, mit dem im Spätmittelalter theologische Fachdiskussionen für ein weiteres Publikum geöffnet und für die Laienkatechese fruchtbar gemacht wurden. Die Relevanz der zu edierenden Unterscheidungsschriften ergibt sich daraus, dass sie diese Verschiebungen in exemplarischer Weise widerspiegeln. In der Mehrzahl rekurrieren sie auf lateinische Texte, die jedoch nicht 'nur' übersetzt, sondern inhaltlich und formal überarbeitet, durch weitere Texte angereichert und den zeitgenössischen theologischen Diskussionen entsprechend aktualisiert werden. Zugleich sind diese Texte repräsentative Beispiele für jene Unterscheidungsschriften, die den akademisch-scholastischen Anspruch beim Transfer in die Volkssprache aufrechterhalten, die Unterscheidungskategorien und -kriterien dabei jedoch an eine laikale Leserschaft anpassen. Die 'Probate spiritus'-Kompilation basiert auf Heinrichs von Friemar wirkmächtiger Schrift 'De quattuor instinctibus'. Der Traktat 'Von Unterscheidung wahrer und falscher Andacht' greift ein virulentes Thema aus der 'Probate spiritus'-Kompilation - nämlich die Verwechslung von selbstinduzierter geistlicher Süßigkeit mit echter Gottesnähe - auf, um es unter Berufung auf die Autorität des Thomas von Aquin eigenständig auszuarbeiten. Da beide Werke zusammen überliefert werden, empfiehlt sich eine gemeinsame Edition. Auch für die anderen Traktate gilt, dass sie häufig im Umfeld von Übersetzungen oder Bearbeitungen des Friemar-Traktats auftauchen. Der Lesetext der Druckausgabe soll durch eine digitale Präsentation der Handschriftentranskriptionen ergänzt werden.
Die Augsburger Predigten Johannes Geiler von Kaysersberg
DFG-Förderung 2005-2011
Im Mittelpunkt des Projekts steht der in neun Handschriften und zwei Augsburger Frühdrucken überlieferte Predigtzyklus 'Berg des Schauens' Johann Geilers von Kaysersberg. Geiler, der prominenteste deutsche Volksprediger des 15. Jahrhunderts, hielt die anspruchsvollen Predigten vor einem enthusiastischen Augsburger Publikum zwischem dem 29.9 und 28.12.1488 anlässlich eines Besuchs bei seinem Freund Friedrich von Zollern, der 1486 Bischof der Reichsstadt geworden war. In seinen Ansprachen behandelte Geiler zentrale Aspekte der Lehre Jean Gersons, des wirkungsmächtigsten Theologen der Zeit. Von einmaligem Interesse ist der Überlieferungsbefund: Bei den Handschriften handelt es sich zum einen um tatsächliche Predigtnachschriften zum anderen um eine von Geiler zur 'Leseversion' bearbeiteten Redaktion. Hauptziele des Projekts sind: 1) eine eingehende Analyse von Geilers Gerson-Rezeption, d.h. seiner übersetzerischen Leistung, seiner Selektionsprinzipien und seiner rhetorischen Strategie bei der Vermittlung komplexer theologischer Sachverhalte an illiterati, 2) eine Untersuchung des Rezeptionsvorgangs, wie er sich in den Nachschriften manifestiert, und 3) die eventuelle Herstellung einer überlieferungskritischen Ausgabe der verschiedenen Fassungen.
Die volkssprachliche Vermittlung von Frömmigkeitstheologie im späten Mittelalter
DFG-Projekt 1995-2000 'Schriftum der Wiener Schule', 2000-2004 zusammen mit Johannes Janota und Bernd Hamm, Erlangen, erweitert zu 'Volkssprachliche Frömmigkeitstheologie'
In der Zusammenarbeit von Germanisten/innen und Kirchenhistoriker/innen wird das Profil der sog. 'Frömmigkeitstheologie' von ca. 1380 bis zum Beginn der Reformation in den verschiedenen Formen ihrer volkssprachlichen Vermittlung untersucht. Damit ist eine Reformtheologie im Blick, die über die bisherigen Grenzen der universitären, klösterlichen und mystischen Theologie hinausstrebt und vor allem die illitterati in den lebenspraktischen Fragen ihrer Alltagsfrömmigkeit erreichen will. Im Zuge einer von Vertretern der Frömmigkeitstheologie initiierten und größtenteils getragenen literarischen religiösen Bildungsoffensive entstehen eine Vielzahl volkssprachlicher Werke - von katechetischen Summen sowie Predigten und Traktaten bis hin zum geistlichen Lied. Sie tragen entschieden zu einer Literarisierung des Lebens bei und prägen wesentlich den Wissenshorizont der illitterati in theologischen Fragen in den 150 Jahren vor der Reformation. Im Vergleich unterschiedlicher Zeiten, Vermittlungsformen und regionaler Zentren (Wien, Nürnberg und Niederlande) soll die Variationsfähigkeit und -breite dieser informierenden, anleitenden, ermahnenden und tröstenden Seelsorgetheologie hervortreten. Das Projekt wurde von 1995 bis 2005 von der DFG gefördert.
Edition von 'Der Heiligen Leben'
DFG-Förderung 1987-1997
Das um 1400 in Nürnberg enstandene Prosalegendar 'Der Heiligen Leben' war die bedeutendste volkssprachliche Legendensammlung des europäischen Mittelalters. Es ist in knapp 200 Handschriften und 41 Druckauflagen überliefert und war im gesamten deutschsprachigen Raum und in Skandinavien verbreitet. Das Werk stellt eine große Ausnahme unter den deutschen Legendaren dar, weil es nicht auf lateinische, sondern vornehmlich auf deutsche Vers- und Prosalegenden zurückgeht ('Passional', 'Märterbuch', Hartmanns 'Gregorius', 'Oswald' usw.). Es galt als volkssprachliches hagiographisches Quellenbuch schlechthin (Meistersinger, Jakob Mennel usw.) und wurde aufgrund seiner Popularität 1535 auch zum Ziel einer Spottschrift Luthers. Der erste Band erschien 1996, der zweite 2004.