Sabrina Hadwiger: „Niemand ist vorübergehend tot.“

 „Niemand ist vorübergehend tot.“
Selbstermächtigendes Erzählen in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur

 

Das Dissertationsvorhaben untersucht, inwiefern literarische Narrative von sexualisierter Gewalt als Formen selbstermächtigenden Erzählens gelesen werden können. Ein zentraler Fokus liegt dabei auf dem Spannungsverhältnis zwischen Sprachlosigkeit im Kontext von Trauma und epistemischer Ungerechtigkeit, verstanden als das systematische Aberkennen von Wissen und Erfahrungen bestimmter Gruppen. Die Analyse der drei zeitgenössischen deutschsprachigen Romane Blaue Frau (2021) von Antje Rávik Strubel, Zwischen Du und Ich (2021) von Mirna Funk sowie Mareike Fallwickls Das Licht ist hier viel heller (2019) konzentriert sich auf die erzählerische Verarbeitung sexualisierter Gewalt. Methodisch wird die Analyse durch das philosophische Konzept der epistemischen Ungerechtigkeit von Miranda Fricker gerahmt, wobei Literatur als epistemische Ressource verstanden wird.
Der Begriff der (erzählten) Selbstermächtigung im Kontext von Narrativen sexualisierter Gewalt stellt ein Forschungsdesiderat der deutschen Literaturwissenschaft dar. Ein besonderer Schwerpunkt der Dissertation wird die spezifische Definition und Anwendung dieses Begriffs auf solche Narrationen sein. Dabei wird einerseits der literarisch dargestellte Verarbeitungsprozess traumatischer Erfahrungen sowie die damit verknüpften Handlungen der Betroffenen untersucht (Akt der Selbstermächtigung). Andererseits beabsichtigt das Dissertationsprojekt, die Rahmung dieser Romane als Narrative der erzählten Selbstermächtigung zu beleuchten. Dabei steht die Überwindung epistemischer Ungerechtigkeit im Kontext von Gewalt- und Machtdiskursen im Mittelpunkt. Innerhalb der literaturwissenschaftlichen Forschung gibt es im anglosächsischen Raum bereits erste Publikationen, die Frickers Theorie für die Arbeit mit literarischen Texten fruchtbar machen. Dies gilt nicht für den deutschsprachigen Raum. Eine spezifische Leistung der avisierten Arbeit wird sein, diese Forschungslücke zu schließen und das Potential der Theorie Frickers für die Literaturwissenschaft aufzuzeigen.

 

Madeleine Hadwiger

Ansprechpartner

Sabrina Hadwiger M.Ed.
Ehemalige Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Neuere Deutsche Literaturwissenschaft 2

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