DFG Netzwerk „Der hellenistische König als Idealherrscher?"

© Universität Augsburg

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat das von Professor Dr. Stefan Pfeiffer (Universität Halle-Wittenberg) zusammen mit Professor Dr. Gregor Weber (Universität Augsburg) beantragte wissenschaftliche Netzwerk zum Thema „Der hellenistische König als Idealherrscher? Vorstellungen von ‚guter‘ Herrschaft in den Nachfolgereichen Alexanders des Großen“ bewilligt.

Das Netzwerk verfolgt eine einfache, für die Epoche des Hellenismus gleichwohl zentrale Fragestellung: Was macht einen guten Herrscher aus? Sie ist alles andere als neu, aber die Forschung der letzten Jahrzehnte scheint festgefahren zu sein: Die Hauptschwierigkeit besteht darin, Äußerungen der zahlreichen Akteure – die Könige selbst, die Höfe, die Städte, die Intellektuellen, die heterogene Bevölkerung der verschiedenen Reiche etc. – sachgerecht aufeinander zu beziehen. Vor allem ist zwischen externen Ansprüchen und Facetten der Selbstdarstellung zu unterscheiden. Der Neuansatz besteht darin, nicht nach Reichen oder Regionen, sondern nach Quellengruppen vorzugehen und auf deren Basis dann die dort thematisierten Facetten eines Idealherrschers herauszuarbeiten. Diese betreffen den König (a) als Krieger/Sieger; (b) als Garant von Frieden, Wohlstand und Reichtum; (c) als Wohltäter; (d) als Bauherr und Stifter; (e) als Gott und (frommer) Mensch; (f) als Rechtsschöpfer und -setzer; (g) als akzeptiertes oder verstoßenes Mitglied einer Dynastie; (h) als Sender und Empfänger von Kommunikation; dies gilt in gleicher Weise auch für die Königin als Akteurin.

Die erwähnten Quellengruppen, die die Netzwerkmitglieder als Spezialisten behandeln, sind diejenigen der (1) Historiographie, (2) Archäologie, (3) Dichtung und Philosophie sowie (4) Inschriften, Papyri und Münzen. Die Ergebnisse werden nochmals von hinzugeladenen Experten bewertet und im Plenum des Netzwerks eingehend diskutiert.

Für die Auswertung des Materials wird der folgende Katalog mit Leitfragen zugrunde gelegt, wobei nicht zwingend in allen Fällen alle Fragen zur Anwendung kommen (müssen):

  1. Welche Aussagen lassen sich über die Akteure bzw. Initiatoren der jeweiligen Aussagen in den einzelnen Quellen(gattungen) finden? Gibt es Kriterien, sie präzise zu unterscheiden, vor allem in der Abfolge von Aktion und Reaktion?
  2. Können für die Königreiche der hellenistischen Zeit bestimmte Vorlieben an inhaltlichen Aussagen zu einem idealen Herrscher und zu den verwendeten Quellen(gattungen) festgestellt werden und wie lassen sie sich erklären?
  3. Zeigen sich sowohl bei den Facetten des Herrscherideals als auch bei deren Erwähnung in den verschiedenen Quellen(gattungen) allgemeine Entwicklungen, die über die individuellen Präferenzen eines bestimmten Königs oder einer Dynastie hinausgehen, und die als bestimmte Trends in der Selbstdarstellung oder im Anforderungsprofil an einen König auffallen?
  4. Wie wurde mit Situationen umgegangen, in denen ein König den Erwartungen nicht entsprach? Erhielt er eine weitere Chance oder führte der Misserfolg gleich zur Beseitigung oder zum Tod? Lassen sich Lerneffekte feststellen? Was macht schließlich eine Usurpation erfolgreich?
  5. In welcher Weise fanden Erwartungen der indigenen Bevölkerung, die sich in der oft Jahrtausende alten Tradition festmachen, Eingang in die königliche Selbstdarstellung?
  6. Worin unterscheiden sich die Facetten und Darstellungsmodi der hellenistischen Königinnen signifikant von denen ihrer männlichen Pendants?
  7. Ist der Katalog der Elemente, die das Ideal eines hellenistischen Königs konstituieren (a-h), durch weitere Aussagen zu ergänzen? In welchen Quellengattungen finden sie sich bevorzugt?

Die Konzeption sieht in den Jahren 2025-2027 einen digitalen Eröffnungsworkshop, drei Tagungen zu den verschiedenen Quellengattungen (zwei davon digital, eine in Halle) sowie eine Abschlusstagung in Augsburg vor.

Dem Netzwerk gehören neben den beiden Antragstellern zehn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aller Karrierestufen aus dem In- und Ausland an, die für einzelne Facetten des Themas einschlägig ausgewiesen sind: Prof. Dr. Alice Bencivenni (Epigraphik, Universität Bologna), Dr. Estelle Galbois (Klassische Archäologie, Universität Toulouse), Priv.-Doz. Dr. Matthias Haake (antike Philosophie, Universität Tübingen/Universität Bonn), Dr. Lisa Irene Hau (Historiographie, Universität Glasgow), Jan Lukas Horneff (römische Geschichte, Universität Halle-Wittenberg), Prof. Dr. Philipp Kobusch (Klassische Archäologie, Universität Kiel), Prof. Dr. Felix K. Maier (Historiographie, Universität Zürich), Prof. Dr. Peter Franz Mittag (Numismatik, Universität zu Köln), Dr. Eleni Skarsouli (Papyrologie, Universität Liège) und Dr. Riccardo Vecciato (Papyrologie, Universität zu Köln).

Einen besonderen Akzent werden die eingeladenen Gäste setzen. Als ‚Respondenten‘ haben Prof. Dr. Charikleia Armoni (Papyrologie, Universität zu Köln), Dr. Charalampos Chrysafis (Alte Geschichte, Universität Augsburg), Dr. Andreas Hartmann (Alte Geschichte, Universität Augsburg), Prof. Dr. Achim Lichtenberger (Klassische Archäologie, Universität Münster), Dr. Ulrike Peter (Numismatik, BBAW), Prof. Dr. Ivana Petrovic (Klassische Philologie, University of Virginia) und Priv.-Doz. Dr. Dirk Rohmann (Alte Geschichte, Universität Wuppertal) zugesagt. Der Eröffnungsworkshop verfolgt hingegen das Ziel, von vier Expertinnen aus anderen Epochen bzw. Kulturräumen Input zu den Potentialen und Problemen der Fragestellung der Thematik zu erhalten. Dafür haben sich freundlicherweise Prof. Dr. Céline Debourse (Altorientalistik, Harvard University), Prof. Dr. Anne Gangloff (Römische Geschichte, Universität Rennes), Prof. Dr. Alexandra von Lieven (Ägyptologie, Universität Münster) und Prof. Dr. Claudia Tiersch (Alte Geschichte, HU Berlin) bereit erklärt. Auf der Abschlusstagung im Frühjahr 2027 werden alle Netzwerkmitglieder nach mehreren Reflexionsphasen ihre Ergebnisse präsentieren, ergänzt um zwei Keynote-Lectures von Prof. Dr. Boris Chrubasik (Alte Geschichte, Universität Toronto) und Prof. Dr. Sitta von Reden (Alte Geschichte, Universität Freiburg), die mit ihrer kultur- bzw. wirtschaftshistorischen Expertise nochmals neue Perspektiven einbringen werden.

Die gemeinsame Arbeit soll in die Publikationen von zwei Bänden – ein Band mit den Vorträgen, einer mit den Quellenzeugnissen – münden.

 

 

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