Forschung

Toxizität, Altlasten und Abfälle

Abfall ist eines der komplexesten, umstrittensten und am stärksten belasteten Themen, denen wir Menschen in unserem täglichen Leben begegnen. Er enthält Erzählungen von Verfall und Niedergang, von Verschmutzung und Toxizität, von Wiederauferstehung und Wiederherstellung, aber auch von Gewalt und Ungleichheit. Abfall ist allgegenwärtig - wir können nicht vermeiden, ihm auf die eine oder andere Weise zu begegnen, ganz gleich, wie sehr wir uns bemühen, Abfallobjekte aus dem Blickfeld zu räumen, sie zu vergraben oder zu verbrennen, sie zu entsorgen, wegzuwerfen oder zu zerstören. Alles ist Abfall und Abfall ist überall.

 

Die DFG-Heisenberg-Professorin Simone M. Müller beschäftigt sich mit verschiedenen historischen Zugängen zur Welt des Abfalls, darunter die globale Abfallwirtschaft ( The Toxic Ship, 2023), Times of Toxics und Toxic Commons.

 

 

© Universität Augsburg

 

 

Prof. Dr. Simone M. Müller: "The Toxic Ship: The Voyage of the Khian Sea and the Global Waste Trade." Washington: University of Washington Press, 2023.

 

"In 1986 the Khian Sea, carrying thousands of tons of incinerator ash from Philadelphia, began a two-year journey, roaming the world’s oceans in search of a dumping ground. Its initial destination and then country after country refused to accept the waste. The ship ended up dumping part of its load in Haiti under false pretenses, and the remaining waste was illegally dumped in the ocean. Two shipping company officials eventually received criminal convictions."

Vertical Histories of Power and Place

Der Boden ist kein abgeschottetes Gebilde, sondern eine halbdurchlässige Membran, die unzählige Verbindungen zwischen über und unter der Erde ermöglicht. Bruno Latour lädt uns ein, "kritische Zonisten" zu werden, und fordert uns auf, den Austausch und die Bewegung in "der dünnen Haut der lebendigen Erde" (der Zone) zu beachten und die dauerhaften, verheerenden Auswirkungen des Menschen auf die Umwelt zu berücksichtigen (2020:3). Die Prämisse, dass der Boden eine halbdurchlässige irdische Haut ist, zwingt uns dazu, uns mit der Frage zu befassen, wie der Mensch in die Wechselbeziehungen zwischen über- und unterirdischem Boden eingegriffen hat. Dazu gehört auch eine Verschiebung von einem Verständnis einer flachen sozialen Welt zu einer Welt der Tiefe und Vertikalität.

 

 

Ausgehend von Straßenkorridoren, die als urbane Haut verstanden werden können, versucht die DFG-Heisenberg-Professur, die vertikalen Geschichten von Macht und Ort zu entwirren.

 

Feuchtgebiete im Wandel der Zeit

Feuchtgebiete, das sind Ökosysteme, die permanent oder saisonal von Wasser überflutet werden. Sie finden sich in unzähligen Variationen auf der ganzen Welt: als Gezeitenfeuchtgebiete, Flussmündungen und Flussauen, als Moore, Sickerstellen und Frühlingsteiche.

In den vergangenen Jahrhunderten verglichen herrschende Akteure Feuchtgebiete oft mit Ödland. In ihren Augen waren sie Hindernisse für Urbanisierung, Landwirtschaft und die Ausübung staatlicher Macht. Durch eine Politik diese Landschaften durch Entwässerung zu verändern, gingen bis heute riesige Feuchtgebiete verloren.

Heute gelten Feuchtgebiete als Superhelden der Natur. Sie sind Ökosysteme mit immenser Artenvielfalt. Als Pufferzonen schützen sie Küsten und mildern die Auswirkungen von Wirbelstürmen. Sie reinigen Flüsse und Flussmündungen. Als natürliche Kohlenstoffspeicher fassen sie klimaverändernde Mengen an Kohlenstoff.

Die DFG-Heisenberg Professur ist Teil der Arbeitsgruppe „Feuchtgebiete in der Geschichte“ welche sich mit diesen Wasser-Zwischenzonen von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart beschäftigt, fasziniert davon, dass sie weder Land noch Wasser sind. Wir treffen uns regelmäßig zur gemeinsamen Lektüre oder dem Austausch eigener Arbeiten. Die Arbeitsgruppe ist eine Kollaboration zwischen dem Institut für Europäische Kulturgeschichte (IEK) und dem Wissenschaftszentrum Umwelt (WZU) an der Universität Augsburg.


Zur Arbeitsgruppe Feuchtgebiete im Wandel der Zeit

Off the Menu: Essgewohnheiten, Kultur und Umwelt

Nicht nur die Produktion, sondern auch der Konsum von Lebensmitteln sind eng mit der Klimakrise verbunden. Durch einen Fokus auf die Beziehung zwischen menschlichen Essgewohnheiten und Umweltveränderungen, vereint die Forschungsgruppe „Off the Menu: Essgewohnheiten, Kultur und Umwelt“ unter der Leitung von Dr. des. L. Sasha Gora Food Studies und Umweltwissenschaften, um das Feld der kulinarischen Umweltwissenschaften zu begründen.

 

Das Essen ist einer der direktesten Wege, wie Menschen mit der Umwelt interagieren, indem sie sie buchstäblich verdauen. Essen zeigt auch, wie Menschen Klimawandel erleben und es stellt die Frage, wie eine stetig wachsende Bevölkerung auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen ernährt werden kann. Essen verbindet mikro und makro, weswegen die Zubereitung von Essen ein einzigartiger Einstiegspunkt ist, um das Holozän-Sterben und die Zukunft planetarer Gesundheit zu kontextualisieren. Die Küche reflektiert, wie Kulturen menschliche Beziehungen zu Pflanzen und Tieren kategorisieren und herbeiführen. Das Studium dessen liefert ein Verständnis wie Menschen die Welt um sich herum verändern. „Off the Menu“ möchte die enge Beziehung zwischen Essen, dem Wandel der Umwelt und der Geschichte der nachhaltigen Küche historisieren.

 

„Off the Menu“ wählt einen interdisziplinären, umweltbasierten und geisteswissenschaftlichen Ansatz um den planetaren Notstand zu kontextualisieren, indem sie die Überschneidungen zwischen Kultur und der Umwelt mit einem Fokus auf Meeresfrüchten hervorhebt. Drei globale Fallstudien richten sich an die wechselseitige Beziehung zwischen dem menschlichen Geschmack und der Umwelt: der neufundländische „Cod Rush“ und die Umweltkrise; kulinarische Ausrottung und die Ethik gefährdeten Essens; und wie Küchen „invasive“ Spezien annimmt oder ablehnt. Gesammelt untersucht die Nachwuchsforschergruppe ebenfalls das Aufkommen von klimabewusster Ernährung.

 

Environmental Humanities

Das Bewusstsein für die ökologische Krise hat in verschiedenen sozial- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen - von Geschichte und Philosophie bis hin zu Anthropologie und Literatur - zu unterschiedlichen Zeitpunkten Einzug gehalten. Dieses Bewusstsein hat zwar zu sehr unterschiedlichen wissenschaftlichen Reaktionen in Bezug auf Methoden, Themen und geografische Schwerpunkte geführt, aber es hat zu einer sorgfältigeren Reflexion über die Konzepte der Natur, die Beziehungen zwischen Natur und Kultur und die Notwendigkeit geführt, Fragen der Verantwortung und der (mehr-als-menschlichen) Umweltgerechtigkeit zu betonen.

 

In den letzten Jahren hat sich der Begriff Environmental Humanities herausgebildet, um die wachsende Verbindung zwischen Umweltphilosophie, Umweltgeschichte, Ökokritik, Kulturgeographie, Kulturanthropologie und politischer Ökologie zu erfassen und gleichzeitig Debatten zu integrieren, die bisher weitgehend von unterschiedlichen disziplinären Kontexten, wie dem Anthropozän, geprägt waren.

Walking archive: Ein Lehr-Lernlabor

Walking Archive ist ein Forschungs- und Lehrprojekt an der Schnittstelle von Umweltgeschichte und Environmental Humanities. Das Projekt verbindet die Methodik des Gehens mit historischer Archivforschung und will mit neuen Formaten experimentieren, um historisch veränderte Mensch-Umwelt-Interaktionen greifbarer zu machen und globale Umweltthemen in lokalen Räumen in und um Augsburg zu verorten.

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