Exkursion nach Tschechien: Šumava (2018)
Verschwundene Orte im Böhmerwald
Reisebericht von Michael Kabelka - Fotos von Susanne Wagner und Michal Korhel
Šumava (dt. Böhmerwald) ist eine stark bewaldete Bergkette entlang der tschechisch-deutschen Grenze, wo lange auch eine jüdische und deutschsprachige Bevölkerung lebte. Holocaust, Flucht und Vertreibung veränderte das Erscheinungsbild der Region. Einige der verlassenen Dörfer wurden nach 1945 neu besiedelt, andere bis in die 60er Jahre planmäßig oder durch militärische Nutzung vollständig zerstört. Im Rahmen der Exkursion begaben wir uns auf die Spuren verschwundener Orte um Nova Hůrka und Hartmanice.
Verschwundene Orte im Böhmerwald
Wir fuhren am 6. Juli 2018 um ca. 8:15 bei strömendem Regen vom Bukowina-Institut in Augsburg ab. Aufgrund der Wetterverhältnisse verschoben wir die geplante Wanderung zur verlassenen Ortschaft Hůrka (Hurkenthal) auf den folgenden Tag und kehrten stattdessen in eine Mikrobrauerei in Železná Ruda (Markt Eisenstein) ein.
Nach dem Bezug unserer Unterkunft in Prášily trafen wir den Lokalhistoriker Ivan Adam, der uns die Reste der verlassenen Orte in der Umgebung zeigte. Michal Korhel, Promotionsstudent an der Universität Augsburg und der Universität Ústi nad Labem, übersetzte dabei vom Tschechischen ins Deutsche. Der ca. dreistündige Spaziergang zeigte eindrucksvoll das Ausmaß der Zerstörung dieser Ortschaften. Der starke Regen machte uns deutlich, dass die Abgrenzung zwischen Spaziergang und Wanderung "fließend verläuft". Zuletzt zeigte uns Ivan Adam, eigentlich gelernter Architekt, anhand einiger Pläne und Fotografien aus seinem Privatarchiv, wie die verlorenen Ortschaften vor der Zerstörung aussahen.
Der zweite Tag begann mit dem Besuch der Bergsynagoge Hartmanice. Die bis 1938 genutzte Synagoge wurde ab 2002 unter Leitung des neuen Besitzers Michal Klíma restauriert und fungiert nun als Gedenk- und Ausstellungsstätte. Nach einer kurzen Einführung folgte eine Gesprächsrunde mit Ivan Klíma und Helena Klímová, zwei sehr bedeutenden Persönlichkeiten der jüngeren tschechischen Geschichte. Ivan Klíma ist ein bekannter Schriftsteller. Helena Klímová, die als Psychotherapeutin, Journalistin und Philologin tätig war, gehörte zu den Unterzeichnern der Charta 77. Uns gewährten sie als Zeitzeugen Einblick in ihre Erfahrungen in den Kriegs- und Nachkriegsjahren in Tschechien.
Im Anschluss fuhren wir nach Nova Hůrka, von wo aus wir zur verlassenen Ortschaft Hůrka (Hurkenthal) wanderten. Einzig die Grundmauern der früheren Kirche sind noch zu sehen, jedoch konnten wir die sogenannte "Glocke der Verständigung", die sich an einer dort neuerrichteten Kapelle befindet, ausgiebig läuten. Im Anschluss wanderten wir weiter zum idyllischen Gletschersee Laka (Lackensee).
Nach einem abschließenden Abendessen in einer Gaststätte in Zwiesel, bei dem die gemachten Erfahrungen noch einmal diskutiert wurden, machten wir uns auf den Rückweg nach Augsburg.