Dr. Claudia Ried
Dr. Claudia Ried ist Kreisheimatpflegerin des Landkreises Augsburg-Land
Wie sind Sie zum Fach Geschichte gekommen?
Geschichte hat mich eigentlich schon von klein an fasziniert, zumal ich aus einer sehr geschichtsinteressierten Familie komme, in der historische Themen – manchmal auch hitzig – immer wieder diskutiert wurden. Dadurch habe ich sehr schnell den Eindruck gewonnen, viele Geschehnisse der Gegenwart eigentlich erst dann richtig verstehen und einordnen zu können, wenn ich die geschichtlichen Zusammenhänge kenne. Außerdem wurde mir klar, wie häufig unser heutiger Alltag – ohne dass es uns überhaupt bewusst ist – immer noch durch zum Teil auch lange zurückliegende Ereignisse und Entwicklungsstränge beeinflusst und geprägt ist.
Vor diesem Hintergrund war es ein großer Wunsch von mir, mich auch beruflich mit Geschichte auseinanderzusetzen und deshalb habe ich mich entschieden, Bayerisch-Schwäbische Landesgeschichte an der Uni Augsburg zu studieren. Das habe ich bis heute nicht bereut, denn als Landeshistoriker bzw. Landeshistorikerin ist man ein Allrounder, der vor allem mit Hilfe von mikrogeschichtlichen Ansätzen wertvolle Impulse für die Forschung liefert und auf einer breiten archivalischen Grundlage überhaupt erst generalisierbare historische Erkenntnisse ermöglicht.
Welche Qualifizierungen und Initiativen während des Studiums waren wichtig für die spätere Berufswahl? Wie können sich Geschichtsstudierende auf mögliche spätere Berufsfelder vorbereiten?
Vor allem zwei Qualifizierungen haben sich als besonders wertvoll für meinen späteren beruflichen Werdegang herausgestellt. Zum einen habe ich zusätzlich zu meinem Hauptstudium als Doppelstudiengang Historische Hilfswissenschaften belegt und konnte mir dabei umfangreiche Kenntnisse u.a. in Paläographie, Diplomatik und Archivalienkunde aneignen.
Zwar bedeutete das Doppelstudium mehr Arbeitsbelastung, insgesamt hat mir das Handwerkszeug, das ich dort erlernt habe, aber nicht nur bei meiner Abschluss- und Doktorarbeit sehr weitergeholfen, sondern es hat mir auch einen Eindruck davon vermittelt, mit welchen praktischen Tätigkeiten sich ein Historiker bzw. eine Historikerin beschäftigt. Auf diese Weise habe ich schon zu Studienzeiten ein wenig ausgesiebt, welche Schwerpunkte für meine berufliche Zukunft in Frage kommen. Besonders gefallen hat mir dabei von Beginn an der Umgang mit Archivalien aller Art, und das mache ich in meiner Funktion als Kreisarchivpflegerin noch heute mit Begeisterung.
Wie sind Sie zu dieser Tätigkeit gekommen?
Wie bereits erwähnt, war mir das Berufsfeld Heimatpflege durch ein sechswöchiges Praktikum, das ich im dritten Semester bei der schwäbischen Bezirksheimatpflege absolviert hatte, durchaus vertraut. Umso mehr habe ich mich gefreut, als meine Bewerbung als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Heimatpflege des Landkreises Augsburg positiv beschieden wurde.
Besonders gereizt hat mich an dieser Tätigkeit von Anfang an die thematische Vielfalt, der wir in der Heimatpflege begegnen, weshalb meine Arbeit nach wie vor äußerst abwechslungsreich ist und täglich neue Aspekte bereithält. Darüber hinaus bekleide ich seit 2015 auch das Amt der Kreisheimatpflegerin des Augsburger Lands und kann dort sowohl meine historischen als auch ethnologischen Kenntnisse optimal einbringen. Gerade deshalb macht mir meine Arbeit nach wie vor sehr viel Spaß.
Zum anderen habe ich während meines Studiums regelmäßig in den Semesterferien Praktika beispielsweise in Museen oder in der Heimatpflege absolviert. Dadurch habe ich nicht nur einen optimalen Einblick in die Bandbreite möglicher Berufsfelder von Historikern und Historikerinnen gewonnen, sondern konnte auch hautnah sehen und erleben, wie sich deren Berufsalltag in der Praxis gestaltet. Außerdem habe ich den direkten Kontakt mit späteren Kolleginnen und -kollegen genutzt, um sämtliche Fragen zu stellen, die mich rund um meine Berufswahl beschäftigt haben.
Ich würde aufgrund meiner Erfahrungen allen Geschichtsstudierenden empfehlen, die Zeit des Studiums für möglichst viele Praktika in einschlägigen Einrichtungen zu nutzen. Zudem sind zahlreiche spätere Berufsfelder eng mit Wissensvermittlung verbunden. Deshalb ist es sicher nicht verkehrt, schon in einer frühen Phase des Studiums auszutesten, inwieweit der Umgang mit Menschen Freude bereitet. Da bietet es sich an, mit den Kulturträgern oder Geschichtsvereinen vor Ort zusammenzuarbeiten, um beispielsweise am Tag des offenen Denkmals bzw. bei historischen Veranstaltungen eine Führung oder einen Vortrag anzubieten oder einen kleinen Artikel in einer historischen Zeitschrift zu veröffentlichen. Insgesamt ist es aus meiner Sicht immens wichtig, viele praktische Erfahrung zu sammeln – diese können sich auch bei späteren Bewerbungen positiv auswirken.
Worin besteht genau Ihre Aufgabe im Beruf? Wie sieht der konkrete Arbeitsalltag aus?
Ein wichtiger Pfeiler meiner Arbeit besteht darin, die historische und kulturelle Vielfalt des Landkreises sichtbar und erlebbar zu machen. Das geschieht in vielen verschiedenen Bereichen. So erforschen wir z.B. die Geschichte des Augsburger Landes und seiner 46 Kommunen, beschäftigen uns mit Bräuchen und den bei uns gesprochenen Dialekten oder setzen uns mit der Kulturlandschaft und der schwäbischen Baukultur auseinander. Dabei spannen wir einen Bogen von den ersten Hinweisen menschlicher Besiedelung bis hin zu aktuellen kulturellen Entwicklungen und verbinden auf diese Weise das Gestern und Heute des Augsburger Lands miteinander.
Außerdem gehört es auch zu meinen Aufgaben, mich immer wieder mit einschneidenden historischen Ereignissen – wie z.B. Seuchen, Kriegen oder Hungersnöten auseinanderzusetzen, die den Landkreis Augsburg in der Vergangenheit direkt oder indirekt betroffen haben und die uns zeigen, wie fragil Frieden und Wohlstand sind. Deshalb verstehe ich meine Arbeit immer wieder als Schnittstelle zwischen Vergangenheit und Gegenwart, die dabei unterstützen kann, das Bewusstsein für Nicht-Selbstverständlichkeiten zu stärken, damit heute Lehren aus der Geschichte gezogen werden und in konkretes Handeln münden.
Die von uns gewonnen Ergebnisse präsentieren wir regelmäßig einer breiten Öffentlichkeit beispielsweise durch Publikationen, die Ausrichtung von Führungen, Vorträgen, Ausstellungen und Veranstaltungen sowie durch die Umsetzung von themenbezogenen Projekten und Wettbewerben.
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