Bedachte und erlebte Krise im „Gottesgarten“

Zwei internationale Tagungen zur Umweltästhetik

Ende Mai und Anfang Juni 2024 richtete Prof. Dr. Uwe Voigt zwei internationale Tagungen aus, die sich mit Themen der Umweltästhetik befassten. Diese Veranstaltungen fanden in einer Gegend am Obermain um Bad Staffelstein und Lichtenfels statt, die seit den Tagen der Spätromantik als „Gottesgarten“ bekannt ist, weil sie mit kleinen Städtchen im lieblichen Flusstal und barocken Prachtbauten auf aussichtsreichen, waldumsäumten Hügeln punktet. Diesen Eindruck teilten auch die internationalen, neben Deutschland auch aus Japan, Kanada, der Schweiz und den Vereinigten Staaten angereisten Teilnehmenden. Trotzdem oder gerade deshalb ging es nicht um idyllische Verklärung, sondern um die Reflexion der gegenwärtig herrschenden Umweltkrise, in deren Griff sich auch jenes Auenland befindet.

Die erste dieser Tagungen fand in englischer Sprache vom 28.-31. Mai 2024 bei der Hanns-Seidelstiftung auf Schloss Banz unter dem Titel „Environment in Crisis – Crisis in Aesthetics. Asian, European and North American Perspectives“ statt und widmete sich der Frage, inwieweit sich die Darstellung von Krisen in Kunst und Kultur auch als Widerspiegelung krisenhafter Umweltverhältnisse auffassen und zu deren tieferem Verständnis nutzen lassen. Diese Veranstaltung diente zugleich als zweite der drei Hauptversammlungen der Working Group on Environmental Aestethics, die Uwe Voigt gemeinsam mit Prof. Dr. Sean McGrath (Memorial University of Newfoundland / Kanada) und Prof. Dr. Tanehisa Otabe (Tokyo University) gegründet hat (wir berichteten hier über die ): Nach Neufundland im vergangenen Jahr und Japan im Jahr 2025 machte diese Gruppe wie vorgesehen damit in Europa Station.

Diese Tagung diente zwei Zwecken: gemeinsam mit Studierenden aus Augsburg und Bamberg in philosophischer, geo- und kulturwissenschaftlicher Perspektive zum einen insbesondere den wissenschaftlichen Nachwuchs zu Wort kommen zu lassen und zum anderen nicht nur über die Umwelt zu sprechen, sondern sich in immersiven Kontakt mit ihr zu begeben. Die Vormittage waren daher mit klassischen Beiträgen jüngerer Kolleginnen und Kollegen erfüllt (zum Programm siehe ); die Nachmittage standen unter dem Format Walk and Talk: Auch beim Wandern in den angrenzenden Mittelgebirgswäldern erörterten die Personen, deren Hauptreferate die anschließende Tagung prägten, weitere Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der Umweltästhetik.

Unmittelbar im Anschluss ging es dann über das Maintal hinweg zur Stätte der nächsten Tagung vom 1.-3. Juni 2024 im Bildungshaus Vierzehnheiligen, die sich dem Thema „Landschaft – unsere Heimat in der Krise?“ widmete. Dies war zugleich eine Veranstaltung der von Sean McGrath gegründeten kanadischen NGO For a New Earth (FANE), die es sich zum Ziel gesetzt hat, überall auf der Welt durch bürgernahe Graswurzeldialoge das Umweltbewusstsein zu fördern. Dies sollte hier durch eine interkulturelle kritische Betrachtung der Begriffe der Landschaft und der Heimat geschehen, in Begegnung mit dem, was die Menschen vor Ort unter diese Begriffe zu stellen gewohnt sind (zum Programm siehe ). An die Vorträge am Morgen schlossen sich daher jeweils Exkursionen an: in den Lichtenfelser Stadtteil Klosterlangheim, dessen engagierte Bürger mit übergeordneten Institutionen um den richtigen Weg ringen, das umweltprägende Erbe der Zisterzienser, die ihre Landschaft gestaltet haben, im öffentlichen Gedächtnis zu bewahren; sowie auf den Staffelberg, der einen Ausblick über die nähere Umgebung gewährt und an dem sich dessen Geologie mustergültig ablesen lässt. Bei der Exkursion nach Klosterlangheim trotzten die Teilnehmenden sintflutartigem Regen, der in einigen angrenzenden Ortschaften für Überschwemmungen sorgte, und sahen sich so in ihrer Reflexion der Umweltkrise einem Ereignis ausgesetzt, das durchaus als deren Manifestation gedeutet werden kann.

Die teils hybrid abgehaltenen Veranstaltungen wurden von allen Beteiligten als sehr bereichernd empfunden. Einige Beiträge sollen in internationalen Zeitschriften veröffentlicht werden. Wenn das geschieht, werden wir an dieser Stelle darauf hinweisen. Ebenso auf die weitere Arbeit der Working Group on Environmental Aesthetics, die auf Gesprächen am Rande der Veranstaltungen beschlossen hat, ihre Tätigkeit mit weiteren Projekten über die derzeitige Laufzeit hinaus fortzusetzen.

Der Erfolg, als den die Beteiligten diese Tagungen empfunden haben, verdankt sich nicht zuletzt der Hanns-Seidel-Stiftung und dem Bildungshaus Vierzehnheiligen. Beide haben äußerst großzügige Konditionen und überaus angenehme Rahmenbedingungen gewährt. Dafür sei auch an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich gedankt.

Uwe Voigt

 

Banz Gruppenfoto
© Universität Augsburg
Schloss Banz
Schloss Banz CC BY-NC-ND
Banz Maintalterasse
© Universität Augsburg
Basilika-Vierzehnheiligen
Basilika Vierzehnheiligen CC BY-NC-ND
FANE 2024
© Universität Augsburg

Gastvortrag am Mittwoch, dem 5. Februar 2025, um 17:30 Uhr in Raum 2102/D der Universität Augsburg

 

Zum Verhältnis von Natur und Geist: Schellings Dialog „Clara“

 

Dr. Philipp Höfele (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg)

 

Abstract

Wie ist das Verhältnis von Körper und Geist zu bestimmen? Wie dasjenige von nicht-menschlicher Natur und menschlicher Geschichte? Was ist unter Bewusstsein zu verstehen? Gibt es eine Unsterblichkeit der Seele und, wenn ja, wie könnte diese aussehen? Und wie kann man sich dem philosophisch annähern, wie sollten sich mit anderen Worten Inhalt und Form des Philosophierens zueinander verhalten? Diesen grundlegenden Fragen, die die Philosophie seit jeher und großteils auch heute noch beschäftigen, geht F.W.J. Schelling in dem wohl 1816/17 verfassten Gesprächsfragment nach, das später in der Tradition platonischer Dialoge unter dem Titel „Clara oder Zusammenhang der Natur mit der Geisterwelt“ erschienen ist. Das Gespräch behandelt mithin nichts Peripheres, sondern wendet sich den Grundfragen der Philosophie zu und sucht Schellings gesamtes System zumindest in seinen Grundzügen zur Darstellung zu bringen. Er legt dabei einen Schwerpunkt auf den idealen Teil seines Systems, um derart den zuvor stärker ausgearbeiteten realen oder naturphilosophischen Teil in seinen Zusammenhang einzuordnen. Wie der Vortrag zeigen wird, sucht Schelling dazu eine Kontinuität zwischen Natur und Geist nachzuweisen. Indem er ausführt, dass beide nur graduell unterschieden sind, versucht er all die anfangs genannten Themen zu behandeln. Das Fragmentarische, das sich auch in den nachfolgenden Werken fortsetzt, spricht dabei gerade für die Redlichkeit und Modernität seines Denkens, das selbst an Schellings 250. Geburtstag in diesem Jahr noch hoch aktuell ist.

 

Brief Bio

Dr. Philipp Höfele ist Fellow der „Young Academy for Sustainability Research“ (YAS) am Freiburg Institute for Advanced Studie (FRIAS), Universität Freiburg, und Vorstandsmitglied der Internationalen Schelling-Gesellschaft. Er ist u.a. Autor der Monographie „Wollen und Lassen. Zur Ausdifferenzierung, Kritik und Rezeption des Willensparadigmas in der Philosophie Schellings“ (Alber, 2019), Mitherausgeber der internationalen Zeitschrift „Schelling-Studien“ (Alber) und des Sammelbandes „Schopenhauer liest Schelling. Freiheits- und Naturphilosophie im Ausgang der klassischen deutschen Philosophie“ (frommann-holzboog, 2021).

Suche