DFG-Projekt: Ethik des Nichtwissens
Ethik des Nichtwissens. Ein theologisch-ethisches Angebot.
Projektstart: 01.05.2007
Projektende: 30.04.2010
Laufzeit: 3 Jahre
Projektträger: DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft)
Projektverantwortung vor Ort: Prof. Dr. Klaus Arntz
Beteiligte Wissenschaftler der Universität Augsburg: PD Dr. Rupert Scheule, Diplomgymnasiallehrerin Ariane Schroeder, Dipl. theol. Christoph Hausladen, Dipl. theol. Simon Lochbrunner
Das Profil des Forschungsprojektes
Nichtwissen erscheint aus wissenschaftstheoretischer und -soziologischer Sicht in verschiedenen Formen: als vermeidbares Nichtwissen, als spezifisches Nichtwissen (als Vorstufe künftigen Wissens), als irreduzibles Nichtwissen und als unerkanntes Nichtwissen. In diesem Projekt wird es um das legitime Nichtwissen gehen, denn im bisherigen Nichtwissensdiskurs blieben dessen Existenzrecht und moralische Dignität unterbelichtet. Das Recht auf Nichtwissen theologisch-ethisch positiv zu begründen, ist das Anliegen des Forschungsvorhabens.
Von jeher reflektiert und verteidigt die Theologie den Glauben als eine epistemologische Einstellung, die eine eigenständige Sicht auf einen Sachverhalt darstellt. Vor diesem Hintergrund erscheint das neben dem Wissen stets andere Wirklichkeitsverhältnis des Glaubens legitim und eine theologische Ethik des Nichtwissens hat hier ihren Anfang zu nehmen. Im Hinblick auf die gelebte Sittlichkeit profiliert die Moraltheologie die integrierende, kritisierende und motivierende Kraft dieses Glaubens.
Das Projekt wird ausgeführt in zwei Forschungssträngen, die sich wechselseitig berühren und befruchten.
- Erster Forschungsstrang: „Moraltheologie und theologische Ethik des Nichtwissens. Eine Konfliktgeschichte“.
- Zweiter Forschungsstrang: „Prädiktive Gendiagnostik und theologische Ethik des Nichtwissens. Eine aktuelle Bedarfsanzeige.“
Ziele des Forschungsprojektes
Das Recht auf Nichtwissen brachte die wissenschaftliche Diskussion bislang nur im Gesamtzusammenhang von Abwehrrechten zur Sprache. Eine positive Deutung des Rechts auf Nichtwissen fehlt bislang.
Diesem Defizit begegnet das hier vorgestellte Forschungsprojekt auf zweifache Weise. Zum einen soll das Recht auf Nichtwissen vor dem Horizont der wissenschaftssoziologischen Forschungen zum Thema der Nichtwissenskulturen verortet werden. So wird der erste Forschungsstrang in Form einer wissenschaftsgeschichtlichen Selbstvergewisserung die Moraltheologie als paradigmatische Nichtwissenskultur mit Orientierungskompetenz profilieren. Der zweite Forschungsstrang setzt an bei dem für das Recht auf Nichtwissen schlechthin klassischen Anwendungsfall: der prädiktiven Gendiagnostik zur Ermittlung eines erblichen Brustkrebsrisikos. Das Forschungsinteresse liegt hier in einem dezidiert ethisch-theologischen Zugang zur Thematik. Es gilt zu zeigen, dass das Recht auf Nichtwissen eine unerlässliche Konkretisierung und Ergänzung des in der medizinischen Ethik fest etablierten „informed consent“-Postulats darstellt.
Ausblick
Die Erkenntnisse aus den beiden Forschungssträngen werden zum Leitfaden „Theologisch informierte Patientenethik des Nichtwissens für den Umgang mit prädiktiven medizinischen Verfahren“ zusammengefasst, der in einem Lehrmodul am Augsburger Haus Tobias (dem Bildungs- und Begegnungszentrum der Katholischen Klinikseelsorge in der Diözese Augsburg) Krankenhausseelsorgern als möglichen Kommunikatoren einer solchen Patientenethik vorgestellt wird. Darüber hinaus ist mit Ende des Projektes ein Projektabschlusskongress geplant, der die erbrachten Erkenntnisse einer breiteren wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich macht.
Publikationen
- Arntz, K., Das Recht auf Nichtwissen. Fundamentalismus in der Bioethik?, in: Stephan Goertz / Rudolf Branko Hein / Katharina Klöcker (Hg.), Fluchtpunkt Fundamentalismus. Gegenwartsdiagnosen katholischer Moral, Freiburg i. Ue. 2013, 420-444
- Arntz, K., Ethik des Nichtwissens: Ein theologisch-ethisches Angebot, in: Claudia Peter / Dorett Funcke (Hg.), Wissen an der Grenze. Zum Umgang mit Ungewissheit und Unsicherheit in der modernen Medizin, Frankfurt a. M. 2013, 235-259
- Arntz, K., Das Recht auf Nichtwissen im Kontext prädiktiver Medizin, in: Gunnar Duttge (Hg.), Das sogenannte Recht auf Nichtwissen: Normatives Fundament und anwendungsethische Gestaltungskraft, Münster 2018
- Hausladen, Chr., Wissenschaft vom Nichtwissen? Theologie und der in ihr inhärente Umgang mit den Grenzen des Wissens, in: Claudia Peter / Dorett Funcke (Hg.), Wissen an der Grenze. Zum Umgang mit Ungewissheit und Unsicherheit in der modernen Medizin, Frankfurt a. M. 2013, 261-305
- Lochbrunner, S., Wie viel Freiheit können wir wissen?: Strukturelle Wissensgrenzen in der Frage nach der Willensfreiheit ausgehend von den Deutungen des Hirnforschers Gerhard Roth (Pontes 39) Münster, 2007
- Schroeder, A., Das Recht auf Nichtwissen im Kontext prädiktiver Gendiagnostik: Eine Studie zum ethisch verantworteten Umgang mit den Grenzen des Wissens, Wiesbaden 2015