„…that all the Fens is a meer quagmire”

„…that all the Fens is a meer quagmire” - Die Auseinandersetzung um die Lincolnshire- und Cambridgeshire-Fens

Von Ulrich Niggemann

Das Gebiet der Fens erstreckt sich rund um die Bucht The Wash, also v.a. die küstennahen Regionen in Cambridgeshire und Lincolnshire. Es handelt sich um ausgedehnte Feuchtlandschaften, die teilweise vom Meer her überschwemmt wurden, also Salzmarschen waren, teilweise aber auch durch Rückstau der maßgeblichen Flüsse entstanden, also etwa des Witham, des Welland, des Nene oder des Great Ouse. Das Land liegt sehr tief, an einigen Stellen unter Meeresniveau, so dass für die natürliche Entwässerung das Gefälle fehlt. Das Gebiet war nicht überall ganzjährig versumpft, sondern gerade im Sommer konnte es als Weideland genutzt werden. Kleine Gebiete lagen erhöht und bildeten gewissermaßen Inseln, die schon früh für die Anlage von Klöstern, Dörfern oder kleineren Marktstädten genutzt wurden – zu nennen wären etwa Kings Lynn, Wisbech und Spalding sowie ganz wichtig als Kathedralstadt und Bischofssitz Ely.
Schon in den Regierungszeiten Elisabeths I. ab 1558 und Jakobs I. ab 1603 gab es vereinzelt Initiativen und Überlegungen zur Trockenlegung von Ländereien. Die Initiativen gingen zum Teil von ansässigen Adeligen aus, etwa den Earls of Bedford, die im Zuge der Reformation und der Säkularisierung von Kirchengütern hier Ländereien erworben hatten. Doch erst unter Karl I. wurden die Überlegungen konkreter, v.a. mit der Bestellung des niederländischen Ingenieurs Cornelius Vermuyden. Vermuyden war wohl involviert in die Drainagemaßen am Hatfield Chase, einem königlichen Jagdgebiet bei der Isle of Axholm in Lincolnshire. Später, schon in der Folge der Revolution und der Bürgerkriege der 1640er Jahre war Vermuyden offenbar auch an der Trockenlegung des Bedford Level im Gebiet der Isle of Ely beteiligt. Vermuyden brachte niederländische Protestanten aus den spanischen Niederlanden nach England mit. Sie waren zunächst als Arbeiter mit der Aushebung von Drainagekanälen und der Anlage von Schleusensystemen tätig, bevor sie mit trockengelegten Landparzellen entlohnt wurden, zumeist im großzügigen Erbpachtsystem. Niederländische Arbeiter und Kolonisten waren überall in den Fens an Trockenlegungsprojekten beteiligt, daher auch Bezeichnungen wie Holland Fen, South Holland usw.
Die Trockenlegungsmaßnahmen waren nur sehr begrenzt erfolgreich. Mehrere technische Probleme standen einer dauerhaften Trockenlegung im Wege: Zum einen fehlten noch wirksame Pumpanlagen, um das Wasser aus dem tiefliegenden Land herauszubekommen – Windmühlen wurden teilweise – etwa in den Niederlanden – schon genutzt, waren aber in England als Pumpen noch selten und kostspielig. Zum anderen sorgte die Trockenlegung für ein weiteres Absinken des Landes. Es handelte sich um torfige Böden, die wie Schwämme durch Trocknung schrumpfen. Das weitere Absinken sorgte aber für eine noch höhere Überschwemmungsgefahr, so dass in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein Großteil der von Vermuyden trockengelegten Teilstücke erneut vernässt wurden.
Und schließlich muss auch auf die massiven Widerstände hingewiesen werden. Die Region der Fenlands war ja keineswegs unbewohnt. Das vermeintliche vacuum domicilium war bewohnt und wurde auch genutzt. In den State Papers, die in den National Archives in London verwahrt sind, finden sich Aktenstücke zu den Unruhen in den Fens – insbesondere der enorm interessante Bericht einer Kommission, die im Auftrag des Cromwellschen Staatsrats einige Vorfälle im Hatfield Level in Lincolnshire zu untersuchen hatte. Hier waren in der Gemeinde Sandtoft die wallonischen Siedler Opfer massiver Übergriffe geworden. Was auf den ersten Blick wirkt wie fremdenfeindliche Ressentiments, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als komplexe Auseinandersetzung um die Nutzung der Fens. Damit sind fremdenfeindliche Aspekte sicher nicht grundsätzlich ausgeschlossen – sie mögen durchaus Teil der vorhandenen Aggressionen der Fenland-Bewohner gewesen sein. Im Kern steht jedoch die Ablehnung des Trockenlegungsprojekts im Zentrum der Auseinandersetzung. Der auch im Umfeld der Leveller-Bewegung aktiv gewesene John Wildman engagierte sich als Sprecher der Fen-Bewohner. In mehreren Eingaben und Flugschriften argumentierten er und andere, dass die Fens common land, also Allmende, seien, deren Nutzung der dort ansässigen Bevölkerung seit eh und je zugestanden habe, also per Gewohnheitsrecht.
Anders als die Projectors, also die Befürworter der Trockenlegung, behaupteten, sei das Land keineswegs ungenutztes Land, sondern werde für die Viehzucht, die Torf- und Reetgewinnung, die Fischerei und die Jagd auf Wasservögel genutzt. Besonders die schon auf die etwas später einsetzende Agrarrevolution verweisende Kommerzialisierung der Landwirtschaft, die eben auch auf gewerblich nutzbare Pflanzen zielte – etwa Raps und andere Ölpflanzen sowie Färbepflanzen für die Textilindustrie – wurde zurückgewiesen: „What are coal-seed and rape, they are but Dutch commodities and trash and trumpery“, heißt es in der Flugschrift „The Anti-Projector“.
Hier wird also eine Abwehr deutlich, die sich gegen Neuerungen richtet, also gegen neu eingeführte Nutzpflanzen und gegen eine Abwertung der bisherigen Lebensweise und Ökonomie in den Fens. Dass hier auch mit den „Dutch commodities“ die Fremdheit der Produkte mit angesprochen ist, weist daraufhin, dass Abwehr von Neuem und Abwehr von Fremdem durchaus Hand in Hand gingen. Auffällig, wenn man diese und andere Zeugnisse liest, ist, dass keineswegs grundsätzlich jede Trockenlegung abgelehnt wurde. Es gab durchaus etablierte Systeme, die in lokalen Händen lagen und von allen mitgetragen wurden, etwa in den lokalen commissions of sewers, die im Namen der Gemeinden die Drainagekanälen zu überwachen hatten. Für eine differenzierte Sichtweise ist es also unbedingt nötig, diese etablierten Verfahren mitzubeachten und generell die unterschiedlichen Wahrnehmungen und Deutungen der Fens in den Blick zu nehmen, ohne dabei die jeweils divergierenden und in sich bisweilen widersprüchlichen Interessen aus den Augen zu verlieren.


Literaturhinweise:

Ash, E. H., The Draining of the Fens. Projectors, Popular Politics, and State Building in Early Modern England, Baltimore 2016.
Boyce, J., Imperial Mud. The Fight for the Fens, London 2020.
Darby, H. C., The Draining of the Fens, Cambridge 1968.
Lindley, K., Fenland Riots and the English Revolution, London 1982.
Simmons, I. G., Fen and Sea. The Landscapes of South-East Lincolnshire AD 500-1700, Havertown 2022.

 

Karte der Fens in Lincolnshire
Dirk Jansz van Santen: Fens area of Lincolnshire (Janssonius Atlas). CC BY-NC-ND

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