“...aria infiammabile nativa delle paludi...”
Von Jens Soentgen und David Gottfried Gase aus Feuchtgebieten für eine Schusswaffe nutzen? Im 18. Jahrhundert setzte der italienische Naturforscher Alessandro Volta genau diese Idee in die Tat um. Seine Pistole nutzt Methan (er nannte es „aria infiammabile nativa delle paludi“), ein entzündliches Gas, das er in der Luft in Feuchtgebieten entdeckte, die zu dieser Zeit allgemeiner als „Sümpfe“ bezeichnet wurden. Über Jahrhunderte hinweg galten Feuchtgebiete als unheimlich und gefährlich. Ärzte warnten vor der „miasmatischen“ Luft stehender Gewässer, die angeblich Seuchen verursachte. Neben gesundheitlichen Bedenken prägte auch die mystische Erscheinung dieser Landschaften ihr negatives Image. In der nächtlichen, nebelverhangenen Atmosphäre entstanden flüchtige Lichtphänomene, sogenannte Irrlichter. Diese geisterhaften Erscheinungen wurden in der Folklore als atmosphärische Geisterlichter beschrieben, die Wanderer in die Irre führten und in gefährliche Moorgebiete lockten. Übrigens: Auch Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten, zeigte Interesse an diesem Phänomen. In einem Brief an Joseph Priestley aus dem Jahr 1774 beschrieb er die entflammbare Luft in Feuchtgebieten und vermutete, dass Terpentinöl aus Kiefern sich mit Wasser vermische und dadurch entflammbar werde. Seine Erklärung wurde von seinen Kollegen jedoch, wie er selbst schreibt, als „zu leichtgläubig“ eingestuft. Alessandro Voltas’ Theorie der entzündlichen Luft, die er zwei Jahre später aufstellte, erwies sich, wie wir heute wissen, als glaubwürdiger. Quellen und Literatur: - Benjamin Franklin to Joseph Priestley, 10 April 1774, Founders Online, National Archives, https://founders.archives.gov/documents/Franklin/01-21-02-0078. [Original source: The Papers of Benjamin Franklin, vol. 21, January 1, 1774, through March 22, 1775, ed. William B. Willcox. New Haven and London 1978, 188–189.]
Alessandro Volta und die brennbare "Sumpfluft"
Frühneuzeitliche Mediziner wie Bernardino Ramazzini dokumentierten Berufsgruppen, die besonders schlechter Luft ausgesetzt waren, und entwickelten erste Schutzmaßnahmen. Doch erst mit den Fortschritten der Pneumatischen Chemie konnten Luftarten isoliert und als Bestandteile der normalen Atmosphäre identifiziert werden.
Durch Experimente in den Sümpfen rund um den Lago Maggiore gelang Volta der Nachweis, dass die übelriechenden Gase eine neue, brennbare Luftart enthielten, Methan. Voltas Entdeckung, zusammen mit den Arbeiten des britischen Wissenschaftlers Joseph Priestley, legte den Grundstein für die Erforschung brennbarer Gase und der Methanogenese, ein Forschungsfeld, das sich im 19. und 20. Jahrhundert stark weiterentwickelte.
Was zuvor als „faulige Ausdünstung“ galt, wurde von Wissenschaftlern zunehmend objektiviert und chemisch analysiert. Die Gase aus den Sümpfen erwiesen sich als komplexe Gemische aus Methan, Schwefelwasserstoff und weiteren Substanzen, darunter auch Spuren von Phosphorverbindungen.
Zwischen 1700 und 1816 wandelte sich die Wahrnehmung der Sumpfatmosphäre grundlegend. Die Entdeckung der „brennbaren Sumpfluft“, heute als Methan bekannt, markierte einen Wendepunkt. Für kurze Zeit wurde dieses Gas sogar für sämtliche Gesundheitsprobleme in Feuchtgebieten verantwortlich gemacht. Eine Hypothese, die sich später als überzogen herausstellte. Dennoch war die Entdeckung von Methan eine bedeutende Errungenschaft in Chemie, Meteorologie und Medizin.
- Volta, Alessandro: Lettere del Signor Don Alessandro Volta, patrizio comasco, e decuriore, regio professore di fisica ... sull'aria infiammabile nativa delle paludi, Milano 1777.
- Eckartshausen, Karl von: Über das Verderbniß der Luft, die wir einathmen, ihrer Schädlichkeit für die Gesundheit der Menschen, und die Art, sie leicht und schnell zu verbessern. 24. März 1788, München 1788.
- Hsuan L. Hsu: The Smell of Risk. Environmental Disparities and Olfactory Aesthetics, New York 2020.