Jakob-Fugger-Zentrum
Moralischer Universalismus: Menschheitsethos und Weltherrschaft - Hans Joas in Augsburg
Hans Joas in Augsburg
Die Internationale Gastdozentur am Jakob-Fugger-Zentrum bietet Studierenden und Lehrenden der Universität Augsburg sowie interessierten Bürgerinnen und Bürgern die Gelegenheit, international ausgewiesene Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst in Augsburg zu erleben. Mit Vorträgen, Seminaren und Debatten zu zentralen Fragen unserer Zeit fördert die Internationale Gastdozentur den Austausch zwischen den Dozentinnen und Dozenten, der Universität Augsburg und der Stadtgesellschaft. Die Internationale Gastdozentur ist eine gemeinsame Initiative der geistes-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Fakultäten und des Jakob-Fugger-Zentrums der Universität Augsburg.
Mit Hans Joas ist es im Sommersemester 2022 gelungen, einen der bedeutendsten Soziologen der Gegenwart für die Internationale Gastdozentur zu gewinnen. Seine Vorträge in Augsburg sind dem Thema „Moralscher Universalismus: Menschheitsethos und Weltherrschaft“ gewidmet und gewähren Einblicke in sein jüngstes Buchprojekt.
Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass die Menschheit während des größten Teils ihrer Geschichte vermutlich kein Bewusstsein von sich selbst als einer einheitlichen Spezies hatte und gewiss nicht den moralischen Maßstab, das Wohl aller Menschen über das des eigenen Sozialverbands zu stellen. Wann, wo und warum aber entstand dann ein solches „Menschheitsethos“ und wie hat es sich weiterentwickelt? Stellt es eine Eigenheit des Christentums oder der Aufklärung und des Westens dar oder finden wir es auch in anderen Traditionen und Kulturen?
Die Grundthese der Forschungen von Hans Joas ist, dass wir diesen „moralischen Universalismus“ in seinen vielfältigen Formen historisch nur in Wechselwirkung mit der Geschichte der Imperien verstehen können, d.h. aus den Reaktionen auf deren Weltherrschaftsansprüche heraus oder als Rechtfertigungsversuche ebendieser Imperien. Während im ersten Vortrag der Reihe die Grundgedanken des ganzen Buchprojekts entwickelt werden, werden danach zwei Fallstudien behandelt. Der zweite Vortrag untersucht den Kampf um die Abschaffung der Rassensegregation in den Südstaaten der USA mit besonderem Augenmerk auf die Rolle des Christentums auf beiden Seiten des Konflikts, der dritte Vortrag betrachtet die religiöse und politische Vision Mahatma Gandhis, die darin bestand, aus indischen Traditionen einen moralischen Universalismus zu entwickeln, der sich gegen die Herrschaft und den zivilisatorischen Überlegenheitsanspruch des britischen Empire richten konnte.
Moralischer Universalismus: Menschheitsethos und Weltherrschaft- Vorträge und Workshops
28. Juni 2022, 18:30 Uhr
Moralischer Universalismus: Gedanken zu seiner Entstehung und Entwicklung
Universität Augsburg, Gebäude H (Jura), Hörsaal 1009
30. Juni 2022, 18:30 Uhr
Das Christentum zwischen Rassismus und seiner Bekämpfung: Martin Luther King
S-Forum der Stadtbibliothek Augsburg, Ernst-Reuter-Platz 1, 86150 Augsburg
5. Juli 2022, 18:30 Uhr
Antikolonialer Widerstand und religiöse Vision: Mahatma Gandhi
Rokokosaal der Regierung von Schwaben, Fronhof 10, 86152 Augsburg
Workshop für Master- und Promotionsstudierende
6. Juli 2022, 10:00 Uhr
Universität Augsburg, Gebäude D, Raum 2056
Über den Vortragenden
Hans Joas
ist Soziologe und Sozialphilosoph. Seit 2014 hat er die Ernst-Troeltsch-Honorarprofessur für Religionssoziologie an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin inne. Er wurde 1979 mit einer Arbeit über „Praktische Intersubjektivität: Die Entwicklung des Werkes von George Herbert Mead“ an der FU Berlin promoviert, wo er sich auch habilitierte. 1987 folgte er einem Ruf an die Universität Erlangen-Nürnberg. Von dort wechselte er 1990 auf die Professur für Soziologie und Nordamerikastudien an der FU Berlin. 2002 übernahm Hans Joas die Max-Weber-Professur und damit die Leitung des Max-Weber-Kollegs für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien an der Universität Erfurt. Von 2011 bis 2014 forschte Joas als Permanent Fellow am Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS). Er ist außerdem seit 2000 Visiting Professor of Sociology and Social Thought an der University of Chicago. Gastprofessuren führten ihn auch an andere US-Universitäten, nach Kanada, Österreich, Schweden und Südafrika. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Geschichte von Wertentstehung und Wertewandel, der Religionssoziologie und der Soziologie von Krieg und Gewalt. Er wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Bielefelder Wissenschaftspreis, der Werner-Heisenberg-Medaille, dem Hans-Kilian-Preis, dem Max-Planck-Forschungspreis und dem Prix Paul Ricoeur. Hans Joas’ Werk ist in viele Sprachen übersetzt und wird breit rezipiert. Zuletzt sind von Hans Joas erschienen: „Die Macht des Heiligen. Eine Alternative zur Geschichte von der Entzauberung“ (2017), „Friedensprojekt Europa?“ (2020), „Im Bannkreis der Freiheit. Religionstheorie nach Hegel und Nietzsche“ (2020) und „Warum Kirche? Selbstoptimierung oder Glaubensgemeinschaft“ (2022).