Lech Digital

Noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war der Lech ein über weite Strecken unverbauter Wildfluss mit einer typischen Wildflussdynamik und entsprechend reichhaltigen Flussfauna. 1940 wurde in München die Bawag gegründet, mit dem Ziel insbesondere des Ausbaus des Lechs mit Kraftwerken. Die Pläne überlebten den Zusammenbruch des sogenannten Dritten Reiches und wurden von den 1950er Jahren an weitgehend in der ursprünglichen Fassung umgesetzt; trotz massiver Proteste von Seiten des sich gerade etablierenden Naturschutzes.

Der aus dem Lech durch Wasserkraftwerke von der Bawag gewonnene Strom war wichtig für den Wiederaufbau und für die industrielle Entwicklung ganz Südbayerns. Viele Menschen am Lech zogen Nutzen aus den Verwandlungen. Doch es gab auch Verlierer. Resultat der Verbauung ist eine heute jedenfalls auf deutscher Seite von Füssen bis zur Donau fast lückenlos verbaute Flusslandschaft. Von einem Fluss kann man kaum mehr sprechen, der Lech auf deutscher Seite ist eher eine Folge von Seen, auch die Fischfauna und die gesamte Fauna und Flora am Fluss haben sich radikal gewandelt. Die eigentlichen Flussbewohner, z.B. die Äschen, die Nasen und andere typische Flussfische wurden gewissermaßen aus ihrem angestammten Lebensraum ausgebürgert. Arten, die auf Wildflussdynamik angewiesen sind, verschwanden.

Der Lech ist weitgehend eingemauert. Auf Tiroler Seite wurde indessen 2004  der Naturpark Tiroler Lech errichtet, vorhandene Verbauungen werden rückgebaut. An ein und demselben Fluss lassen sich also zwei völlig entgegengesetzte Nutzungsformen studieren.

Vor diesem Hintergrund betreiben seit September 2011 Frau Prof. Dr. Sabine Timpf, Professorin für Geoinformatik und Dr. Ulrich Hohoff, Direktor der Universitätsbibliothek Augsburg und Dr. Jens Soentgen, WZU und Dr. Eberhard Pfeuffer, Vorstand des Naturwissenschaftlichen Vereins für Schwaben den Aufbau einer digitalen GIS-gestützten Karte, die auf dem Server der Universitätsbibliothek gelagert sein soll und die es gestattet, die beträchtlichen Veränderungen am Lech mithilfe von Bildern und Karten zu visualisieren. Nicht nur die Gegenwart des Flusses soll mit modernster Technik sichtbar gemacht werden, sondern auch seine Vergangenheit.

Dazu werden Fotos und Karten des Lech aus verschiedenen Zeiten, die von denselben Standpunkten aus aufgenommen wurden, einander gegenübergestellt.

Es soll eine Archäologie der Lechlandschaft, insbesondere des bayerischen Teils von Füssen bis hin nach Augsburg unternommen werden. Ziel ist, durch den synoptischen Blick in die Vergangenheit auch Phantasie für die Gestaltung der Zukunft freizusetzen. Die normative Kraft des Faktischen soll erschüttert werden.

Ausgangspunkt sind neben aktuellem und historischem Kartenmaterial und historischen Zeichnungen und Gemälden insbesondere der von Dr. Pfeuffer digitalisierte fotografische Nachlass von Heinz Fischer (1911–1991), zu dem mehr als 900 Schwarz-Weiß-Fotografien aus den Jahren 1936 bis 1957 gehören. Fischers Bildersammlung dokumentiert den ursprünglichen Flusscharakter vom Lechquellengebirge bis zur Auenregion vor Augsburg. Viele dieser Fotos entstanden erst kurz vor der Zerstörung des Wildflusses – offenbar in der Absicht, im letzten Augenblick zumindest Aufnahmen des alten Lechs für die Zukunft zu bewahren. Eine Auswahl der Fotos erschien in dem Band „Der unverbaute Lech“. Die Ansichten von damals sollen heutigen Ansichten gegenübergestellt werden, um das Ausmaß der Veränderungen aufzuzeigen

Das Projekt steht in engem Zusammenhang mit der Vorlesung "Der Lech – Geschichte und Zukunft", die in Kooperation mit Frau Prof. Dr. Marita Krauss, Professorin für bayerische und schwäbische Landesgeschichte, sowie Dr. Stefan Lindl im SS 2012 an der Universität Augsburg durchgeführt wurde.

 

Projektteam: Frau Prof. Dr. Sabine Timpf, Professorin für Geoinformatik und Dr. Ulrich Hohoff, Direktor der Universitätsbibliothek Augsburg und Dr. Jens Soentgen, WZU, sowie Günter Groß, Lechallianz, Dr. Eberhard Pfeuffer, Naturwissenschaftlicher Verein für Augsburg und Schwaben.

Projektstart: SS 2012.

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