Gelungener Abschluss der Public Climate School mit Prof. Dr. Markus Wissen und Prof. Dr. Maria Backhouse
Prof. Dr. Markus Wissen erklärt in seiner Keynote den Begriff imperiale Lebensweise, der auch gleichzeitig der Titel eines seiner Bücher ist, das er zusammen mit Ulrich Brand 2017 veröffentlicht hat. Die beiden Politikwissenschaftler erklären darin, dass unsere Produktions- und Konsummuster überproportional auf jegliche Art von Ressourcen weltweit zurückgreifen. Markus Wissen konstatiert in seinem Vortrag, dass uns diese Übernutzung zwangsläufig in die Krisen geführt haben, die heute zunehmend miteinander interagieren. Ist mit der Ampel-Koalition auch die Idee des grünen Kapitalismus gescheitert? Diese Frage wurde zwar nur am Rande tangiert, aber Wissen stellt fest, das grüner Kapitalismus auch keine Lösung ist. Er macht dann auch das Interagieren der zunehmenden Krisen mit dafür verantwortlich, dass autoritäre Strömungen erstarken und Konflikte zunehmen. Insbesondere ein immer noch in der Gesellschaft stark vertretener Typus Mann empfinde die Klimakrise und die Angebote zur Bewältigung derselbigen als eine Zumutung und ist dadurch empfänglich für die Angebote der Rechten. Diese propagieren die Festigung des Status Quo, dessen Versprechen sie aber letztendlich nicht halten werden können. Die ökologische Krise muss als eine Frage von Klassen-, Geschlechter-, rassifizierten und (neo)kolonialen Verhältnissen begriffen werden. Daraus ergeben sich bestimmte Strategien und Ansatzpunkte. Als Strategien schlägt er Rückbau und Konversion von nicht nachhaltigen Industrien vor, die auch oft einhergehen mit der zweiten Strategie, dem Aufbau von nachhaltigen Infrastrukturen. Die dritte Strategie auf die er verweist, ist die Vergesellschaftung, z. B. die von Wohnungen, um für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Als letzten Strategiepunkt nennt Wissen Reparatur und Wiedergutmachung im Sinne der Loss and Damage Fonds. Nachlese zur Auftaktveranstaltung vom 04.11.2024: Die Universität Augsburg ist Vorreiter im Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Die Präsidentin Sabine Doering-Manteuffel nennt explizit das Zentrum für Klimaresilienz, das Wissenschaftszentrum Umwelt und das Green Office. Klimaresilienz und Nachhaltigkeit sind bereits fester Bestandteil aller Fakultäten der Universität Augsburg. Die Präsidentin persönlich kündigt im Folgenden einen studentischen Beitrag zur Verkehrswende an. Der Film „Umweltbewusste Mobilität und Ökofeminismus von Thais Kreykenbohm und Lucia Hauser nimmt hier schon in gewisser Weise eine der Kernaussagen von Markus Wissen vorweg – denn auch in der Mobilität hat sich ein Status Quo etabliert, der hauptsächlich Männer bevorzugt, die auf dem täglichen Arbeitsweg nicht auf das Auto verzichten möchten. Der Film veranschaulicht, dass dadurch Verkehrsraum und Sicherheit zu Lasten von Kindern und Frauen gehen, die die familiäre Fürsorge übernommen haben. In der anschließenden Panel-Runde entwickelte sich daraufhin eine lebhafte Diskussion über die Mobilitätswende in der Stadt Augsburg mit Stefan Fina und mit den weiteren Gästen Dr. Ingo Blechschmidt (Verkehrswendeplan Augsburg), Wolfgang Gackowski (Verkehrsplanung Handwerkskammer Schwaben und Mitglied des Mobilitätsbeirats der Stadt Augsburg), Steffen Kercher (Leiter des Referats für Stadtentwicklung, Planen und Bau der Stadt Augsburg), Dr. Johannes Mahne-Bieder (Universität Augsburg, Lehrstuhl für Urbane Klimaresilienz, u. a. Mobilitätsforscher), sowie Dr. Robert Underberg (Stadtwerke Augsburg, Leiter Mobilitätsentwicklung). Moderiert wurde die Runde von Angelika Schneiderat vom Bayerischer Rundfunk. Über die Vortragenden:
Prof. Dr. Markus Wissen lehrt und forscht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin zu sozial-ökologischen Transformationsprozessen. Er ist Redakteur der PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Rosa-Luxemburg-Stiftung. 2024 hat er gemeinsam mit Ulrich Brand das Buch „Kapitalismus am Limit. Öko-imperiale Spannungen, umkämpfte Krisenpolitik und solidarische Perspektiven“ im Oekom-Verlag, München, veröffentlicht.
Prof. Dr. Stefan Fina ist Professor für klimaneutrale Stadtentwicklung an der Technischen Hochschule Augsburg. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Methoden der Raumanalyse in der Stadtentwicklung, Geodatenbasierte Modellierung und Bilanzierung, Entwicklung digitaler Planungswerkzeuge und Beteiligungsformate, sowie Monitoring und Visualisierung von Stadtentwicklungsprozessen. Er ist selbst assoziiertes Mitglied beim Zentrum für Klimaresilienz. Zur Nachlese der Woche der Public Climate School schreiben Sie uns bei Fragen, Anregungen und Kommentaren an juergen.orasche@uni-a.de
„Manchmal raubt es einem den Atem, so stark ist gerade der Gegenwind aus Krisen und Erstarken der Rechten. Aber, solidarische Perspektiven – mit einer gewissen Vorsicht gesagt – sind alternativlos“, so Wissen. Die Horizonte einer grundlegenden sozial-ökologischen Transformation sind solidarische Perspektiven wie ökologische Rationalität, solidarische Selbstbegrenzung und solidarische Resilienz. Ökologische Rationalität als Reduzierung des gesellschaftlichen Stoffwechsels – als Beispiel nannte Markus Wissen hier die Textilindustrie. Der enorme Stoffwechsel der Textilbranche wurde zur Einleitung des Abends durch den studentischen Beitrag "Fragmente der Modeindustrie" thematisiert. Der Film wurde vorgestellt durch Felix Fischaleck, Niran Nalbant und Lea Schmidt.
„Außerdem geht es um solidarische Selbstbegrenzung, die wir uns erkämpfen müssen, wenn wir nicht auf Kosten anderer leben wollen.“ Die solidarische Selbstbegrenzung ist aber eine kollektive Aufgabe; Strukturen zu schaffen, die allen Menschen erst eine sozial-ökologische Lebensweise ermöglicht. Das ist eine Frage des kollektiven Handelns und nicht eine individuelle Konsumentscheidung. „Die Katastrophe findet statt.“ Deswegen brauchen wir solidarische Resilienz. Umweltpolitische Maßnahmen müssen zugleich sozialpolitische Maßnahmen sein. Es müssen international Möglichkeiten geschaffen werden sich dort an die Klimakrise anzupassen, wo sie sich bereits schon am stärksten auswirkt. Aber auch national – Prof. Wissen zitiert den Stadtforscher Mike Davis: „Wenn man Städte ökologisch nachhaltig gestaltet, dann gestaltet man sie auch sozial gerecht und umgekehrt.“
Im Anschluss erklärte Prof. Dr. Peter Fina von der Technischen Hochschule Augsburg dann auch, warum die Mobilitätswende keine Fahrt aufnimmt. In seiner Keynote „Nachhaltige Mobilität erfahrbar machen: Praxisbeispiele und Herausforderungen“ zählt er einige Projekte der Stadt Augsburg hin zu einer nachhaltigen Verkehrswende auf. Am Beispiel von Augsburg zeigt er aber auch, dass die Fortschreibung von statistischen Zahlen für Verkehrsprognosen seit der Covid-19-Pandemie Makulatur ist. Das Pendlerverhalten hat sich durch Home-Office-Tage signifikant verändert. Und auch der Trend zu seltener wahrgenommenen, aber längeren Pendelstrecken verändert die Verkehrsmittelwahl – mitunter ein Grund warum die Anzahl der zugelassenen Personenkraftfahrzeuge immer noch steigt. Stefan Fina zeigt noch weitere Herausforderungen für die Verkehrswende auf. Er wirft die Frage auf, ob das Geld ausgeht für die nötige Infrastruktur? Und geht der Mobilitätswende das Personal aus? Schon heute ist der Fachkräftemangel im ÖPNV in den meisten Großstädten Deutschlands und den Regionalbahnen Realität. Sein Resümee: die Transformation zur nachhaltigen Mobilität benötigt dringend neue Impulse. Umweltschädliche Subventionen müssen abgebaut werden, nachhaltige Mobilität muss Vorrang bei der Finanzierung bekommen und die Kommunen müssen neue Einnahmequellen generieren, wie etwa die City-Maut.