2. Symposium am 17. November 2017
Bericht zur Veranstaltung
Das zweite Symposium des Projekts LeHet »Förderung der Lehrerprofessionalität im Umgang mit Heterogenität« setzte sich mit der Diagnostischen Kompetenz von Lehrkräften auseinander. Diese betrifft Vorgänge, die Lehrkräfte täglich ausführen. Es geht darum, möglichst durchgängig den aktuellen Lernstand, die Motivation, das Lernverhalten jeder Schülerin und jedes Schülers im Blick zu behalten, um jenen geeignete und individuelle Lerngelegenheiten zu ermöglichen. Dies kann zur Herausforderung werden, insbesondere wenn die Vielfalt im Klassenzimmer (Stichwort: Heterogenität ) groß ist.
In der ersten Keynote des Symposiums klärte PD Dr. Anna-Katharina Praetorius den Begriff der diagnostischen Kompetenz und verschaffte den rund 150 Symposiums-Teilnehmern und - teilnehmerinnen einen Überblick über die aktuelle Forschung. Die am Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung in Frankfurt tätige Expertin für Unterrichtsforschung und diagnostisches Handeln von Lehrkräften spannte einen umfassenden Bogen von der Definition über die Erfassung, Ausprägung, Urteilsbildung und Determinanten bis zu den Auswirkungen von diagnostischer Kompetenz.
Am Lehrstuhl für Psychologie der Universität Augsburg untersucht Anita Tobisch herkunfts-assoziierte Lehrkrafturteile und erwartungen und präsentierte zwei empirische Studien. In der ersten Studie zeigten sich herkunftsassoziierte Unterschiede in den Lehrkrafturteilen in Bezug auf die ethnische und die soziale Herkunft. Diese ließen sich nicht durch negative Urteilsverzerrungen bei der Beurteilung von Schüler(inne)n mit Migrationshintergrund und/oder niedrigem sozio-ökonomischen Status erklären, sondern durch eine positive Urteilsverzerrung bei Kindern ohne Migrationshintergrund und mit hohem sozioökonomischem Status. In der zweiten Studie ermöglichte der Einsatz eines Eye-Trackers Hinweise auf eine eher kontrollierte Informationsverarbeitung bei der Beurteilung von Schüler(inne)n der Minorität und eher automatisierte Verarbeitungsprozesse bei Kindern der Majorität.
Anschließend stellte Sandra Korban in ihrem Ko-Referat ihre Studie zur Schulung der Diagnose- und Rückmeldekompetenz von Lehramtsstudierenden im Sport mit Hilfe von iPads © vor. Die Studierenden konnten mit der App Coach’s Eye (TM) ihre eigene Bewegungsausführung mit der synchronisierten Idealbewegung eines Technikleitbilds vergleichen. Durch die erforderliche Beschreibung der Ausführung ergab sich – neben der impliziten Aneignung des Fachwortschatzes – eine verbesserte Motorik , da die Sportler(innen) ihre gefilmten Bewegungen und das Vorbild im iPad © abgleichen und Rückschlüsse für ihre Ausführung der Übung ziehen konnten. Um die Rückmeldekompetenz zu schulen, wurden die verbalen Kommentare zu Technikfehlern und Korrekturen untersucht. Die simultane Präsentation zeigt signifikante Vorteile gegenüber einer herkömmlichen Videokorrektur. Diese neuartigen Diagnoseoptionen eignen sich auch für die Schule. Gerade in heterogenen Lerngruppen kann eine individuelle Förderung durch die Verwendung der App Coach’s Eye (TM) ermöglicht werden.
Das leckere Mittagsbuffet gestaltete die Augsburger Kulturküche - ein allgemeinnütziges Projekt, das multinationale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenso beschäftigt wie Menschen mit geistigen oder körperlichen Einschränkungen – in erfreulich vielfältiger Auswahl.
Prof. Dr. Jasmin Decristan eröffnete die nachmittägliche Vortragsreihe. Ihr Fachvortrag fokussierte die diagnostischen Elemente im Unterrichtsprozess. Dabei diskutierte sie ein „curriculum-embedded formative assessment“, das die mehrfache Durchführung von diagnostischen Aufgaben während einer Unterrichtseinheit mit Feedback an die Schüler(innen) beinhaltet. Die international bekannte Forscherin der Bergischen Universität Wuppertal zeigte evidenzbasiert auf, dass eine lernförderliche Rückmeldung sowohl Informationen zum aktuellen Lernstand als auch zum Lernziel und zum nächsten Schritt für das Kind (hin zum Lernziel) beinhaltet. Um die Professionalisierung von Lehrkräften voranzutreiben, setzte sie auf eine langfristige Implementation einer intensiven Feedback-Kultur. Dabei ist eine kontinuierliche Begleitung für die Lehrkräfte wünschenswert, um die Unterrichtsgestaltung nachhaltig und positiv zu verändern.
Im nächsten Ko-Referat stellte Kirstin Ulrich das Konzept und erste Ergebnisse einer Untersuchung diagnostischer Kompetenzen von Studierenden des Faches Deutsch als Zweit- und Fremdsprache und seiner Didaktik (DaZ/DaF) vor. Das multiperspektivische Vorgehen erfasst explizite Grammatikkenntnisse, eine schriftliche Sprachstandsanalyse und Grundlagen der Diagnostik sowie motivationale Zielorientierungen. Als erste Ergebnisse lassen sich eine eindeutige Beziehung zwischen dem grammatikalischen Wissen und den Sprachstandsanalysen sowie ein Zusammenhang mit dem Diagnostik wissen erkennen. Die Resultate geben Anlass, über eine Intensivierung der Grundlagen-Vermittlung in germanistischer Linguistik sowie Übungen in Sprachstandsdiagnostik nachzudenken.
Die zahlreichen Teilprojekte von LeHet präsentierten sich in den 30 Postern der Poster-Session, die zu angeregten Diskussionen führte. Jedes Teilprojekt stellte dabei sein Forschungsinteresse sowie -design und bereits vorhandene Ergebnisse vor.
Im letzten Vortrag richtete die Juniorprofessorin Dr. Ulrike Nett ihr Augenmerk auf die Gefühle der Schülerinnen und Schüler und informierte über den Stand der Forschung zur Diagnostik von Unterrichtsemotionen. Die innovative Pädagogin und Psychologin geht ein Themenfeld an, welches trotz seiner alltäglichen Relevanz bisher wenig beachtet wird. Es erscheint erstrebenswert, Unterricht adaptiv auf das emotionale Erleben der Kinder und Jugendliche abzustimmen, um günstige Lernbedingungen für jene zu schaffen. Ulrike Nett berichtete dabei sowohl von aktuellen als auch avisierten Forschungsvorhaben zu Unterrichtsemotionen.
Als Projektsprecher von LeHet dankte Prof. Dr. Andreas Hartinger den diskussionsfreudigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Symposiums und äußerte den Wunsch nach weiterer nachhaltiger Arbeit - sowohl im Kompetenznetzwerk „Heterogenität in der Schule“ als auch in den Professionellen Lerngemeinschaften und allen weiteren LeHet-Teilprojekten.