Uni Augsburg | Hochschule für Film und Fernsehen

Mein Traumberuf...

war lange Zeit Astronautin. Die Mondlandung, die Apollo-Missionen, die ganze Raketentechnik, das hat mich enorm fasziniert. Ich wollte die Welt erkunden. Irgendwann wurde mir klar, dass mir die soziale Welt noch näher liegt als die physikalische. Deshalb wollte ich dann, als ich in die Oberstufe kam, Journalistin werden. Die Motivation dahinter war ähnlich: Ich war neugierig, ich wollte die Welt erkunden und ich wollte sie verstehen.

 

... und der Weg über die Kommunikationswissenschaft...

Da ich Journalistin werden wollte, lag es nahe, Kommunikationswissenschaft zu studieren. Und zudem geht und ging es in der Kommunikationswissenschaft um Medien, also um alles, was mir Freude gemacht hat. Damals, Ende der 1980er Jahre, waren das Zeitungen und Zeitschriften, das Fernsehen, das Radio, Bücher, Kinofilme sowie Werbung und Plakatkunst.

 

... zur Forschung

Die Kommunikationswissenschaft beschäftigt sich mit Medien, ihrem Gebrauch und ihrer Wirkung. Sie ist dabei eine empirische Sozialwissenschaft, d.h. Daten spielen eine zentrale Rolle. Und ich war fasziniert davon, dass man über die Analyse verschiedenster Daten soziale Prozesse voraussagen konnte – z.B. Wahlen und ihren Ausgang. Als Studentin entwickelte ich die Vorstellung, dass man als Forscherin die Dinge vor den anderen wissen kann und nicht immer erst im Nachhinein über das bereits Geschehene schreibt, wie das im Journalismus der Fall ist. Bezogen auf Prognosen bin ich heute zurückhaltender. Geblieben ist aber die Faszination, mediale Kommunikationsprozesse tatsächlich zu verstehen und ihre Regelhaftigkeit, d.h. stabile Muster, zu erkennen.

 

Die eindrücklichsten Erinnerungen aus dem Studium... 

Die mit Abstand eindrücklichste Vorlesung in meinem Studium an der LMU München hat James Horton gehalten. Das war ein US-amerikanischer Gastprofessor, ein Schwarzer – als solcher hat er sich bezeichnet. Er hat in meinem Nebenfach Amerikanische Kulturgeschichte die Sozialgeschichte der USA erläutert – und dabei Blick in die Lebenswelten all der Gruppen gegeben, über die man damals wenig erfahren hat: Schwarze, die indigene Bevölkerung, Frauen, Migrant*innen. Pro Sitzung habe ich nur zwei Seiten mitgeschrieben – und wenn ich diese Notizen heute sehe, kann ich immer noch ewig darüber erzählen. So eindrücklich war diese Vorlesung. Später ist James Horton dann der historische Berater von Bill Clinton geworden und hat an der Konzeption des „Museum of African American History and Culture“ in Washington mitgewirkt. Als es 1988 an den völlig überfüllten Universitäten zu Streiks und zur Aktion „Uni bei Nacht“ kam, haben wir die halbe Nacht singend verbracht. James Horton war ein begnadeter Jazz-Sänger, hat spontan eine Vorlesung über Protestsongs gehalten und wir haben in der besetzten Uni Lieder gesungen wie „We shall overcome“. Diese spezielle akademische Nacht werde ich nicht vergessen.

 

Eine meiner negativsten Studienerfahrungen hängt auch mit den damals völlig überfüllten Studiengängen zusammen: Ich hatte mich sehr gefreut auf ein Methodenseminar zur Befragung, vorab sogar Literatur gelesen. Und dann stand ich in der ersten Sitzung mit rund 100 weiteren Studierenden auf dem Gang. In den Seminarraum kam man gar nicht mehr hinein. Der Dozent stellte sich schließlich auf einen Tisch und meinte, er würde nun so lange warten, notfalls zwei Tage, bis nur noch 30 Leute im Raum stehen würden. Diese rappelvollen Studiengänge, das Gefühl, das man mich loswerden wollte, egal welchen Einsatz ich zu bringen bereit war, das war ungemein frustrierend. Ich bin sehr froh, dass mit dem Übergang zum Bachelor-Master-System vernünftige Kapazitätsbeschränkungen kamen, die solche Situationen in der Regel verhindern.

 

Meine Forschungsschwerpunkte

Ich habe mindestens drei Forschungsschwerpunkte: Geschlechterforschung, Medienwandel und Gesundheitskommunikation.

Zur Geschlechterforschung bin ich gekommen, weil ich auf eine simple Frage oft keine Antwort erhielt – die Frage: Gelten diese Erkenntnisse wirklich für alle? Und zu oft wird – oder zumindest wurde – von der Lebenssituation privilegierter Männer vorschnell auf die von anderen Bevölkerungsteilen geschlossen. Um ein Beispiel zu bringen aus meinem ersten Drittmittelprojekt, das ich als Assistentin vom BMBF einwerben konnte: Lange Zeit galt es beispielsweise als gesetzt, dass es vor den 1920er Jahren keine Journalistinnen gegeben habe. So ein Unsinn! Journalistinnen hatten einfach nur keine sicheren Festanstellungen bei angesehenen Blättern und waren deshalb nicht so sichtbar. Aber sie haben dennoch unter schwierigsten Voraussetzungen geschrieben und um Öffentlichkeit gekämpft. Dass Frauen in Deutschland erst seit etwa 100 Jahren das Wahlrecht haben, ist geläufig. Weniger bekannt ist, dass für die damaligen Frauen die Versammlungsfreiheit, die Vereinigungsfreiheit und sogar die Pressefreiheit nur eingeschränkt gültig waren. Das sind höchst schwierige Voraussetzungen, wenn man als Journalistin tätig sein möchte oder als Frau öffentlich gehört werden will. Solche Schieflagen muss man berücksichtigen und das Wissen darum macht den Wandel beim Thema „Frau und Öffentlichkeit“ noch eindrucksvoller.

 

Mein zweites Thema, Medien- und Öffentlichkeitswandel: Mich hat nicht immer nur das Neue – die neuesten Medien etc. – interessiert, sondern der Weg dahin und die Regelhaftigkeit hinter Wandelprozessen. Und dazu muss man zurück in die Geschichte schauen. Wie Frauen eine Stimme in der Öffentlichkeit erlangt haben, das war lange Zeit mein zentrales Thema. In Augsburg ist über das Zentrum für Interdisziplinäre Gesundheitsforschung (ZIG) noch als drittes Thema die Gesundheitskommunikation hinzugekommen.

 

Was mich beflügelt und motiviert...

Ein inspirierendes Umfeld. Ich finde es großartig, mich mit Kolleg*innen auszutauschen und unterschiedliche Expertisen zusammenzuführen. Dieser Austausch, dieses permanente Dazulernen, die neuen Blickwinkel auf Phänomene, all das macht für mich den schönen Kern wissenschaftlichen Arbeitens aus. Und auf diese Art und Weise haben mich Kolleg*innen für neue Themen begeistert – sei es die Gesundheitskommunikation oder auch jüngst die Wissenschaftskommunikation.

 

Wer mich beruflich unterstützt hat...

Das waren v.a. Frauen – zunächst meine Doktormutter, Ursula E. Koch, die damals die einzige Professorin am Münchner Institut für Kommunikationswissenschaft war. Sie hat mich schon während meiner Studienzeit stets motiviert, dass ich all das, was ich nicht in die Magisterarbeit hineinpacken könne, mir doch für die Promotion aufheben solle. Ihr Vertrauen in meine Forschungsarbeit hat mich beflügelt. Und nach der Promotion hatte ich das Glück, mich mit Elisabeth Klaus, die ein wegweisendes Modell der öffentlichen Kommunikation entwickelt hatte, viel austauschen zu können. Sie hat mich auf die Brücke zwischen etablierter Öffentlichkeitsforschung einerseits und meiner Forschung zu frühen Journalistinnen und historischer Frauenbewegung anderseits gestoßen. Aktuell arbeitete ich mit meiner Augsburger Kollegin Helena Bilandzic in zwei DFG-Projekten zusammen und lerne dabei viel darüber, wie Menschen Narrationen kognitiv verarbeiten, welche Effekte das hat und wie sich dieses Wissen für Gesundheitskampagnen nutzen lässt. Da geht dann ihre Expertise im Bereich der Medienrezeption und -wirkungen Hand in Hand mit meiner Expertise über die Dynamiken öffentlicher Kommunikation.

 

Welche Bedeutung die Kommunikationswissenschaft heute hat...

Das Fach ist wichtiger denn je: Immer mehr Kommunikation verlagert sich auf Medien, v.a. viel Alltagskommunikation in die Sozialen Medien. Aber eine nur technikverliebte Sicht auf Medien, die Technikpotenziale ins Zentrum stellt, läuft Gefahr, die eigentlichen Kommunikationsphänomene zu übersehen. Denn Menschen nutzen Medien durchaus eigenwillig, sie wollen kommunikative und menschliche Bedürfnisse befriedigen. Deshalb sind viele Grundmuster der menschlichen Kommunikation vergleichsweise stabil. Und die besondere Bedeutung der Kommunikationswissenschaft liegt darin, dass sie das wirklich Neue an „Neuen Medien“ identifizieren in Verbindung zu menschlichen Kommunikationsbedürfnissen setzen kann. Ganz praktisch heißt das, dass ich häufig Medien- und Kommunikationsphänomene beobachte – z.B. den auch kommunikativ holprigen Start der Corona-Impfkampagne – und mir wünschte, man hätte im Vorfeld Kolleg*innen aus der Kommunikationswissenschaft konsultiert. Zahlreiche Medien- und Kommunikationsprobleme sind durchaus antizipierbar.

 

Die öffentliche Kommunikation und die Diskussion um Social Media...

Trump und all die unschönen Social-Media-Inhalte haben die Schattenseiten von medialer Kommunikation sehr eindrücklich vor Augen geführt. Allerdings sind gezielte Desinformation, Propaganda oder auch Rufmord alte Kommunikationsphänomene. Und zur Verbreitung toxischer Inhalte wurden Medien schon immer eingesetzt. D.h. es gibt in der Kommunikationswissenschaft viele Vorarbeiten, die uns helfen, diese Entwicklungen zu analysieren und einzuordnen. Mein persönlicher Eindruck ist, dass die Kommunikationswissenschaft lange Zeit eher das aufklärerische, emanzipatorische und partizipative Potenzial von Medien ins Zentrum der Forschung gestellt hat. Und die aktuellen Entwicklungen haben eindrücklich gezeigt, dass wir toxische Kommunikation und Gefahren für die öffentliche Kommunikation gleichermaßen beforschen müssen.

 

Wie ich nach Augsburg kam...

Das hing zunächst einmal mit der Stellenausschreibung zusammen. Denn Öffentliche Kommunikation ist genau das, was ich mache – allerdings mit etwas anderem Fokus als viele Kolleg*innen. Vor rund 10 Jahren konzentrierte sich die Forschung stark auf die politische Seite der öffentlichen Kommunikation und auf Massenmedien. Ich hingegen habe eher die zivilgesellschaftliche Seite der öffentlichen Kommunikation beleuchtet, z.B. die Kommunikation in sozialen Bewegungen, in kleineren Communities und innerhalb von massenmedial wenig repräsentierten Gruppen. Das war in Augsburg möglich, dieser Ansatz wurde hier goutiert. Und mit dieser Perspektive war dann auch der Weg für Forschung im Bereich Soziale Medien angelegt. Zu diesen akademischen Punkten kam hinzu, dass ich Augsburg als Stadt kannte, mochte und meinen Lebensmittelpunkt gerne nach Bayern zurückverlegen wollte. Auch wenn mein Nachname das nicht signalisiert, ich komme aus der Gegend und bin sehr gerne zurückgekommen.

 

Was kommt beruflich in Zukunft?

Wenn ich das nur genau wüsste. Ich freue mich immer auf das gerade anstehende Projekt – aktuell ein gerade bewilligtes DFG-Projekt zur Bedeutung von wissenschaftlicher Evidenz und ihrer Vermittlung in der Corona-Krise. Und dann sehe ich mal, was für neue Fragen sich daraus entwickeln. Es mag komisch klingen, aber ich habe keinen Masterplan, welches Projekt das allerwichtigste ist und nun partout umgesetzt werden muss. Die Welt ist voller Mysterien, es gibt so unglaublich viel im Bereich von Medien und Kommunikation zu entdecken und zu erforschen. Ein leidlich neugieriger Mensch kann sich da vor lauter unbeantworteten Fragen kaum noch retten. Was ich sagen will: Es mangelt mir nicht an Projektideen und es erfüllt mich mit Freude und Genugtuung, dass mein Beruf es mir erlaubt, zumindest ein paar dieser Ideen nachgehen zu können und entsprechende Forschungsprojekte zu konzipieren.

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