Herausragende Frauen in der Erwachsenenbildung
Im September 2019 neu eröffnete Dauerausstellung:
herausragende Frauen ab dem 19. Jahrhundert mit wegweisendem Einfluss auf die Gestaltung von Bildung im Erwachsenenalter im (inter-)nationalen Kontext
Einblick in die Ausstellung
Dauerausstellung Gebäude D
Die Ausstellung an der Universität Augsburg geht aus einer Ausstellung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena hervor, initiiert von Frau Prof. em. Martha Friedenthal Haase und Frau Prof. Dr. Elisabeth Meilhammer.
Die Projektverantwortlichen
Prof. Dr. Elisabeth Meilhammer (links)
Nicole Luthardt, M. A. (rechts)
Eröffnung
Prof. em. Dr. Ok-Bun Lee (Teachers College der Kyungpook National Universität Daegu, Korea) besuchte den Lehrstuhl 2019.
Publikationen
Kurzbeschreibung
Der weibliche Beitrag zur Bildung in historisch-systematischer Hinsicht hat noch nicht die angemessene Aufmerksamkeit in der Forschung, im Bewusstsein der Fachöffentlichkeit und in der universitären Lehre gefunden, obwohl Frauen seit langem in vielfältiger und origineller Weise sich als Gestalterinnen von Pädagogik, Volksbildung und Erwachsenenbildung hervorgetan haben. In diesem Beitrag werden exemplarisch einige Motivationen, Funktionen und Leistungen von Frauen vorgestellt, an die die Entwicklung einer Fachtradition sowie auch weitergehende Fragen anknüpfen könnten.
Kurzbeschreibung
Die Beschäftigung mit Erwachsenenbildnerinnen als Gestalterinnen von institutionalisierten
Bildungsangeboten ist selten, noch seltener ist die Beschäftigung mit dem erwachsenenpädagogischen
Wirken von Frauen in nicht-institutionalisierten Lehr- und Lernsettings wie
Radio und Fernsehen. Dementsprechend ist die Erwachsenenbildnerin Ilse Weitsch (geb. Thieß)
und ihr wesentlicher Beitrag für die politische und emanzipatorische Erwachsenenbildung
kaum bekannt. Sie rief nach Kriegsende den „Frauenfunk“ bei Radio München ins Leben, welchen
sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1958 leitete. Die Sendereihe hat in der Nachkriegszeit wesentlich
zur politischen Erwachsenenbildung sowie zur Demokratie- und Frauenbildung beigetragen.
Ziel des Beitrags ist, diese erwachsenenpädagogische Arbeit von Ilse Weitsch durch die
Analyse unterschiedlicher, bisher aus erwachsenenpädagogischer Perspektive nicht beachteter
Primärquellen aufzuzeigen und zu würdigen.
Kurzportraits
Gertrud Bäumer (1873-1954) gehört zweifellos zu den bedeutendsten Frauen des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Sie war eine führende Persönlichkeit in der Bewegung für Frauenrechte, Frauenbildung und Jugendwohlfahrt. Gemeinsam mit Helene Lange hat sie das „Handbuch der Frauenbewegung“, das in vier Bänden bis 1906 erschienen ist, herausgegeben. Am 21. April 1933 wurde sie wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ vor dem Hintergrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums mit verkürztem Ruhegeld aus dem Staatsdienst entlassen. Als „Bildungspolitikerin“ setzte sich Gertrud Bäumer u. a. mit der Neugestaltung des Bildungswesens und mit Fragen der Jugendwohlfahrt auseinander. Mit der Ministerialratsstellung in der Reichsregierung gelang Gertrud Bäumer ein bisher für Frauen beispielloser beruflicher Aufstieg.
Bertha Ramsauer (1884-1947) gehörte zu den wenigen Frauen in der Gründer*innengeneration der deutschen Volkshochschulbewegung. Sie widmete sich seit 1920 hauptberuflich dem Aufbau des Volkshochschulwesens im Freistaat Oldenburg – ihr Lebenswerk stellt die Gründung und Leitung des Volkshochschulheims in Husbäke bei Edewecht dar. 1933 ließ sie sich beurlauben, kehrte aber 1934 trotz Bedenken zurück, um unter den schweren Bedingungen der NS-Herrschaft erwachsenenpädagogisch wirken zu können. Nach Kriegsende war ihr im Rahmen der „Entnazifizierung“ die Weiterarbeit zuerst verwehrt, bevor 1947 (kurz vor ihrem Tod) ihrem Einspruch stattgegeben wurde.
Martha Friedenthal-Haase (1942) ist eine prominente Theoretikerin der Wissenschaft von der Erwachsenenbildung. Sie hat die Erwachsenenbildung als anwendungsorientierte Integrationswissenschaft theoretisch gefasst und sie war auch die erste, die die Relation von Erwachsenenbildung und Interkulturalität bestimmte. Innovativ und wegweisend sind ihre Arbeiten zur Geschichte der Erwachsenenbildung, u. a. zur Erwachsenenbildung im Prozess der Akademisierung, zur dänischen und deutschen Volkshochschule, zu den deutsch-britischen Beziehungen in der Erwachsenenbildung, zu den Medien der Selbstbildung im 18. und 19. Jahrhundert, zu Martin Buber als Erwachsenenbildner sowie zu den Evangelischen Akademien als besondere Institutionen der Erwachsenenbildung in der DDR „zwischen Anpassung und Widerstand“. 2004 wurde sie als erste deutsche Erwachsenenbildnerin in die „International Adult and Continuing Education Hall of Fame“ (IACE Hall of Fame) aufgenommen.
Ok-Bun Lee (geboren 1942) hat seit ihrer Promotion 1981 zum Thema „Industrialisierung, Bildungsreform und Erwachsenenbildung in Korea (Süd): geschichtliche Voraussetzungen, Situation und Perspektive der Erwachsenenbildung“ an der Universität zu Köln maßgeblich an der Etablierung der Wissenschaft von der Erwachsenenbildung in Südkorea mitgewirkt.
Auch in ihren außeruniversitären Ämtern ist ihr sozialpolitisches, von einem christlichen Verantwortungsethos geprägtes Engagement klar erkennbar: Sie war Leiterin des katholischen Frauenbildungszentrums in der Millionenstadt Daegu, 1987 hat sie ein Zentrum für die Beratung von Frauen gegründet und ist bis heute Vorstandsmitglied der kommunalen Erwachsenenbildungsvereine und Leiterin der Frauenpolitik in Daegu. Seit 2008 ist sie die Leiterin der „Lilly Society of Korea“, einem Leprahilfswerk. Mit Recht kann sie als „Grande Dame“ der südkoreanischen Erwachsenenbildung bezeichnet werden.
Edith Stein (1891-1942) war eine deutsche Philosophin, Erwachsenenpädagogin, Frauenrechtlerin und Ordensfrau. Ab 1923 war sie als Lehrerin an der Schule der Dominikanerinnen im Magdalenenkloster in Speyer tätig und setzte sich in Reden und Schriften für die Emanzipation der Frauen ein. 1932 war sie, bis zu ihrer Entlassung durch die Nationalsozialisten, als Dozentin für Fragen der Frauenbildung am Deutschen Institut für wissenschaftliche Pädagogik in Münster tätig. 1933 trat sie in den Orden der „Unbeschuhten Karmeliterinnen“ in Köln ein. 1938 flüchtete sie vor der Judenverfolgung nach Echt (Niederlande), bevor sie Anfang August 1942 nach Ausschwitz deportiert und dort ermordet wurde.
Beverly Benner Cassara (1922-2016) hat als Hochschullehrerin an unterschiedlichen Universitäten und als Bildungspraktikerin die nordamerikanische Erwachsenenbildung mehr als 50 Jahre lang geprägt. Zu ihren Forschungs- und Arbeitsschwerpunkten gehörten u. a. die international vergleichende Bildungsforschung und interkulturelle Fragestellungen. Bei ihrer Aufnahme in die „International Adult and Continuing Hall of Fame“ 2013 wurde sie als eine der großen Visionärinnen der Erwachsenen- und Weiterbildung bezeichnet. Ihre Publikationen und ihr bildungspolitisches Wirken zeigen deutlich ihr Engagement für die Frauenbewegung und Frauenbildung sowie die internationale Ausrichtung ihrer Arbeit –wobei ein Schwerpunkt sicherlich in der Kooperation mit Deutschland zu sehen ist.
Lalage Bown (1927) hat seit 1949 maßgeblich an der Etablierung und Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Strukturen für Erwachsenenbildung an sechs afrikanischen Universitäten beigetragen. Sie ist eine der ersten Wissenschaftlerinnen überhaupt, die sich mit der Frage von Literalität, Geschlecht und Teilhabe von Frauen in Entwicklungsländern auseinandergesetzt hat. Sie ist bis heute eine der bedeutendsten britischen Erwachsenenbildnerinnen des 20. Jahrhunderts. Charakterisierend für die erwachsenenpädagogische Arbeit von Lalage Bown ist das Verständnis von Bildung in einem weltweiten Zusammenhang und im Dialog über nationale Grenzen hinweg. Neben der Aufnahme in die „International Adult and Continuing Education Hall of Fame“ (IACE Hall of Fame) 2009 hat Lalage Bown als erste Frau überhaupt 1975 den „William Pearson Tolley Award“ der Syracuse University (New York, USA) erhalten – eine Auszeichnung für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung. 1975 erhielt sie den Titel „Dr. h.c.“ der renommierten „Open University“ (mit nur 48 Jahren); 2002 den Titel „Dr. h.c.“ der Universität Glasgow. Seit 1977 ist sie Trägerin des „Ordens of the British Empire“.
Gertrud Antonie Hermes (1872-1942) kann als die zentrale Protagonistin der „Leipziger Richtung“ bezeichnet werden – ihr Name ist eng verknüpft mit der Gründung der „Städtischen Volkshochschulheime“ für Arbeiterinnen. Ziel ihrer volksbildnerischen Bemühungen war der Vermittlungsversuch zwischen Volkshochschulbewegung und Arbeiterbewegung. Noch vor ihrem Wirken in Sachsen war sie Wanderlehrerin bei der „Volkshochschule Thüringen“ und Gastlehrerin für Frauenkurse an der Heimvolkshochschule „Dreißigacker“. Nach 1933 zog sie sich als Privatgelehrte zurück, da ihr eine pädagogische oder politische Weiterarbeit durch die Nationalsozialisten verwehrt wurde.
Fanny Mathilde Auguste Marcus Lewald (1811-1898) war eine engagierte deutsche Schriftstellerin und Pionierin der Frauenbewegung. Aufgewachsen im konservativ-bürgerlichen Milieu ihrer Zeit emanzipierte sie sich von ihrem Vater und der ihr angedachten „häuslichen Rolle“. In zahlreichen Aufsätzen setzte sich Fanny Lewald immer wieder für das freie Selbstbestimmungsrecht und die Gleichstellung von Frauen in Arbeitswelt und Ehe ein. Die Verbesserung der Mädchenbildung sowie das Recht der Frau auf eine eigene Berufsausbildung standen im Mittelpunkt ihres publizistischen Interesses. Diese Werke brachten ihr auch internationale Beachtung und geben einen Einblick in die ‚erste‘ deutsche Frauenbewegung. Ihre Schriften sollten nicht nur unterhalten, sondern auch zur allgemeinen Volksbildung beitragen, Toleranz fördern und Vorurteile abbauen.
Inge Aicher-Scholl (1917-1998) hat die Ulmer Volkshochschule, die am 24. April 1946 gegründet wurde – auf den Tag genau ein Jahr nach der Befreiung Ulms durch die Amerikaner – fast 30 Jahre geleitet. Die älteste Schwester von Hans und Sophie Scholl schaffte es, unterstützt von ihrem Mann Otl Aicher und einem engagierten Kuratorium, in kurzer Zeit die Volkshochschule zum geistigen Mittelpunkt Ulms zu machen. Unter dem Motto „Einmischung erwünscht“ setzte die „vh ulm“ so früh wie keine andere Volkshochschule in der Bundesrepublik auf das Engagement der Teilnehmer*innen im gesellschaftlichen Leben ihrer Stadt
Maria Johanna Mathilde Vaerting (1884-1977) war eine der ersten beiden Frauen1 in Deutschland, die einen Lehrstuhl erhielt. Am 1.10.1923 wurde sie zur ordentlichen Professorin für Pädagogik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena berufen. Dort war sie neben Anna Siemsen und Olga Essig in der Ausbildung der Volksschullehrer*innen tätig. 1933 wurde sie aus „politischen Gründen“ entlassen und zog sich ins Private zurück. Auf Grund ihrer Berufung durch den sozialdemokratischen thüringischen Volksbildungsminister Max Greil wurde sie über die gesamte Zeit ihrer Lehrtätigkeit in Jena als „Zwangsprofessorin“, wie es in einer nationalsozialistischen Schmähschrift von Ludwig Plate 1930 hieß, betrachtet. Mit den beiden Bänden ihrer Schrift „Neubegründung der Psychologie von Mann und Frau“ stieß sie auf Begeisterung und zugleich schärfste Ablehnung. Aus ihrer Neubegründung der Geschlechterpsychologie wurden Folgerungen für das pädagogische Handeln und für die erziehungswissenschaftliche Forschung ableitbar.
Anna Siemsen (1882-1951) war Pädagogin, Literaturwissenschaftlerin, sozialistische Politikerin und Pazifistin. Als Lehrerin setzte sie sich für den Ausbau des Berufsschulwesens für Mädchen ein und als Politikerin versuchte sie, ihre pädagogischen Vorstellungen in die Gestaltung von Bildungspolitik einzubringen. Von 1923 bis zu ihrer Emigration 1933 wirkte sie als Wanderlehrerin des „Zentralbildungsausschusses für sozialistische Erziehung“ der SPD, als nebenberufliche Dozentin an der „Volkshochschule Thüringen“ sowie als Gastdozentin an der „Heimvolkshochschule Tinz“ und im „Haus des Volkes“ in Probstzella.
Alice Salomon (1872-1948) war eine deutsche Sozialpädagogin, Sozialpolitikerin, Volkswirtin und eine führende Persönlichkeit in der bürgerlichen Frauenbewegung. Sie gilt als Begründerin des sozialen Frauenberufs in Deutschland und als Pionierin der Ausbildung in der Sozialarbeit. Sie hat mehr als 350 Artikel, zahlreiche Aufsätze in Sammelbändern und über 20 sozialpädagogische Lehrbücher, Monographien und Vortragssammlungen verfasst. Sie wurde 1933 aus allen öffentlichen Ämtern gedrängt und im Alter von 65 Jahren im Jahr 1937 zur Emigration in die USA gezwungen.
Die Dauerausstellung finden Sie im Gebäude D der Universität Augsburg, 1. Obergeschoss.
Universität Augsburg
Universitätsstr. 2
86159 Augsburg
Anreise: Tramlinie 3, Von Innenstadt oder Hauptbahnhof Richtung "Haunstetten West P+R" bis Haltestelle "Universität"
Projektverantwortliche
- Telefon: +49 821 598-4109