Prof. Dr. Franz Krautwurst, emeritierter Ordinarius für das Fach Musikwissenschaft († 30. November 2015)
Ein prägender Musikhistoriker im Nachkriegsdeutschland
Ein Nachruf von Prof. Dr. Franz Körndle auf den ersten Inhaber des Augsburger
Lehrstuhls für Musikwissenschaft, Prof. Dr. Franz Krautwurst
Augsburg ‐ Am 30. November 2015 ist Prof. Dr. Franz Krautwurst, der erste Inhaber des Lehrstuhls
für Musikwissenschaft der Universität Augsburg, im hohen Alter von 92 Jahren verstorben. Prof. Dr.
Franz Körndle, heute Inhaber der Professur, erinnert im Folgenden an einen Wissenschaftler, der
die Musikgeschichte im Nachkriegsdeutschland nachhaltig mitgeprägt hat.
Franz Krautwurst, geboren am 7. August 1923, hatte 1939 an der Akademie der Tonkunst in
München seine Ausbildung begonnen, 1942 wurde er bis zum Ende des Krieges in den Wehrdienst
einberufen. Nach der Rückkehr nahm er das Studium der Musikwissenschaft in München
auf, wo Rudolf von Ficker und Thrasybulos Georgiades seine Lehrer waren. Von München aus
wechselte er an die Universität Erlangen. Dort wurde er bei Rudolf Steglich im Jahr 1950 mit
seiner „Untersuchung zum Sonaten‐Satztypus Beethoven, durchgeführt am 1. Satz der 1. Symphonie“
promoviert. 1956 erfolgte die Habilitation mit einer Schrift über „Die Heilsbronner
Chorbücher der Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 473, 1‐4“. An der 1970 neu gegründeten
Universität Augsburg übernahm er Kurse in Musikgeschichte, 1980 wurde hier ein Lehrstuhl für
Musikwissenschaft eingerichtet wurde, auf den er als ersten Stelleninhaber berufen wurde und
den er bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 1988 innehatte.
Franz Krautwurst zählte zu den prägenden Musikhistorikern im Nachkriegsdeutschland. Schon
früh erlangte er große Bekanntheit mit Beiträgen, die sich penibel mit den Abhängigkeiten in der
musikalischen Quellenüberlieferung ‐ so genannten Stemmata ‐ auseinandersetzten und für weitere
einschlägige Forschungen vorbildlich wirkten. Für die erste Auflage der großen Enzyklopädie
„Die Musik in Geschichte und Gegenwart“ verfasste er zahlreiche Artikel. Die Beschäftigung
mit den Kleinmeistern und der Regionalforschung prägte Schwerpunkte in seinem Schaffen aus.
Ohne seine grundlegenden bibliographischen Werke ‐ darunter „Das Schrifttum zur Musikgeschichte
der Stadt Nürnberg“, 1964, und die „Bibliographie des Schrifttums zur Musikgeschichte
der Stadt Augsburg“, 1980 ‐ wäre die moderne Forschung zum Musikleben der süddeutschen
Reichsstädte oder zu den Komponisten Hans Leo Hassler und Konrad Paumann, zu denen er
substantielle Beiträge in der Reihe „Fränkische Lebensbilder“ lieferte, nicht denkbar. Besonders
engagierte sich Krautwurst in der Erforschung des Lebens und Werks des fränkischen Benediktiners
Valentin Rathgeber (1982‐1750), dessen vierbändiges „Ohren‐vergnügendes und Gemüth‐
ergötzendes Tafel‐Confect“ in Augsburg erschien. In seiner Augsburger Zeit gab Krautwurst
zudem das „Augsburger Jahrbuch für Musikwissenschaft“ und später das „Neue Musikwissenschaftliche
Jahrbuch“ heraus. Zuletzt befasste er sich mit der Musikgeschichte des Baltikums.
Franz Krautwurst erhielt für sein Wirken bereits 1961 den Förderpreis der Stadt Nürnberg und
2007 den Wolfram‐von Eschenbach‐Preis des Bezirks Mittelfranken. Im Jahr 2008 wurde er mit
dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Die Valentin‐Rathgeber‐Gesellschaft ernannte
ihn zu ihrem Ehrenmitglied.
Wer Franz Krautwurst begegnete, lernte ihn als liebenswerten, bescheidenen und zurückhaltenden
Menschen kennen. In Forschung und Lehre verfügte er über eine enorme Breite, die er auch
von seinen Studentinnen und Studenten einforderte. Dem leidenschaftlichen Hochschullehrer
war es ein echtes Anliegen, stets als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. In seiner gründlichen
Arbeitsweise waren ihm Spekulationen ebenso unsympathisch wie sich stets selbst erneuernde
Methodendiskussion. Auf Kritik konnte er mit großer Gelassenheit reagieren. Wiederholt
unternahm er Versuche, seine reichhaltige Bibliothek aus Platzgründen zu reduzieren. Dafür
gab er Exemplare an Studierende ab, freilich immer unter der Bedingung, dass eine knifflige
Fachfrage gelöst werden musste, etwa ein Rätselkanon, den er selbst aufgesetzt hatte.
Und nur wenige wissen, dass Franz Krautwurst auch dem Komponieren zugeneigt war und dass
er bis in die letzten Jahre hinein noch liturgische Werke schuf.
Diejenigen, die ihn kannten und erlebten, die bei ihm studiert und die mit ihm zusammen Musikwissenschaft
gemacht haben, werden Franz Krautwurst ein bleibendes Andenken bewahren.
Franz Körndle