Implizite Assoziationen von Lehrkräften zu transsexuellen Schüler:innen
Lehrkraftprofessionalität erfordert einen professionellen Umgang mit der Heterogenität der Schülerschaft (Hofer, 2009). Dessen Vielfalt reicht unter anderem von der sozialen Herkunft, dem kulturellen Hintergrund oder den körperlichen Voraussetzungen bis hin zur sexuellen Orientierung. In der Schule werden Schüler:innen, die einer sexuellen Minderheit angehören häufig ausgegrenzt: Empirische Studien konnten vor allem für Schüler:innen mit homosexueller Orientierung (Gegenfurtner & Gebhardt, 2017) eine systematische Bildungsbenachteiligung feststellen. Um diesen negativen Entwicklungstendenzen entgegenzuwirken, kann die professionelle Unterrichtswahrnehmung eine entscheidende Rolle spielen: Hierbei wird zwischen dem Noticing und dem Reasoning unterschieden (Seidel & Stürmer, 2014). Ersteres beschreibt die Kompetenz, relevante Situationen im Unterricht zu erkennen und benennen zu können. Die zweite Komponente baut darauf auf, indem Lehrkräfte diese Situationen beschreiben, interpretieren und (Handlungs-)konsequenzen vorhersagen (vgl. Seidel & Stürmer, 2014). Bezogen auf die strukturelle Benachteiligung von Minoritäten, sollten Lehrkräfte Unterrichtssituationen professionell wahrnehmen, um in heterogenen Klassenzimmern adäquat handeln zu können.
Eine wichtige Rolle hinsichtlich des professionellen Umgangs mit Minoritäten spielt die Einstellungen der Lehrkräfte (Nett et al., 2022). Diese gelten gleichzeitig auch als Schüsselkomponenten in der Inklusion (Shade & Steward, 2001). Etikettierungen, die Schüler:innen aus Minderheiten erfahren, können zu Stigmatisierungen und Vorurteilen führen (Barton & Armstrong, 2001). Diese ungleiche Behandlung ergibt sich zum Teil auch aus der professionellen Wahrnehmung der Lehrkräfte (Hand, 2012; Jackson et al., 2018). Die Aufmerksamkeit der Lehrkraft nimmt eine entscheidende Rolle ein, wenn es um die Auswahl der Schüler:innen geht, die zur Unterrichtsbeteiligung motiviert, deren Identität und Wissen geschätzt werden. Dabei kann die Aufmerksamkeit der Lehrkraft entscheiden, welche Schüler:innen sich im Unterricht aktiv beteiligen (MicKinney de Royston et al., 2017; Spencer, 2019).
Im Zusammenhang mit der Benachteiligung von Schüler:innen aus Minderheiten wird demnach die Einstellung von Lehrkräften (Hachfeld et al., 2012; Stanat, 2006) und ihre professionelle Unterrichtswahrnehmung (van Es et al., 2022; Ebright et al., 2021) als relevante Faktoren diskutiert. Aus diesem Grund soll das Eigeninitiativprojekt einen weiteren Heterogenitätsaspekt von Schüler:innen aufgreifen, der bislang noch wenig untersucht wurde: die Transsexualität.
In der Einstellungsforschung wird zwischen expliziter (bewusste) und impliziter (unbewusste) Einstellung unterschieden. Gegenfurtner (2021) konnte in einer Untersuchung der expliziten Einstellungen von Lehramtsstudierenden bereits herausstellen, dass diese umso positiver ausfielen, je häufiger die Teilnehmenden Kontakt zu transsexuellen Personen hatten. Aufbauend auf die bisherige Forschungslage möchten wir die impliziten Assoziationen von Lehrkräften zu transsexuellen Schüler:innen untersuchen.