Transferstrategie
Präambel
Wie die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit unterliegen auch das Wissenschaftssystem und seine Institutionen einem ständigen sozialen Wandel. An den Universitäten hat sich im Laufe der vergangenen 30 Jahre der Begriff der „Third Mission“ bzw. des Wissenschaftstransfers für Aktivitäten etabliert, die sich nicht (ausschließlich) den klassischen Aufgabengebieten der Forschung und Lehre zuschreiben lassen – sie bauen jedoch auf (Grundlagen-) Forschung auf, und Lehre kann als mittelbarer Wissenschaftstransfer verstanden werden. In den letzten Jahren sind Bedeutung und Umfang von Transferaktivitäten auch in Deutschland signifikant angewachsen.
Die Universität Augsburg konnte ihr Forschungsprofil auch in der jüngeren Vergangenheit mehrfach qualitativ hochwertig erweitern und wurde mit der Errichtung ihrer medizinischen Fakultät im Jahr 2016 zur Volluniversität. Aufgrund der skizzierten internen und externen Entwicklungen gibt sich die Universität das vorliegende Transferkonzept. Sie bekennt sich darin, ihrer bereits im Leitbild verankerten Verantwortung sowie ihrem Selbstverständnis als Netzwerkuniversität folgend, ausdrücklich zur Offenheit und Vielschichtigkeit ihres Transferverständnisses. Dieses muss die unterschiedlichen Forschungs- und Transferkulturen aller an der Universität Augsburg vertretenen Disziplinen abbilden und überdies ermöglichen, dass außeruniversitäre Innovationen auch ihrerseits von der Universität aufgegriffen werden können.
Bereits seit vielen Jahren existieren an der Universität Augsburg umfangreiche, aber hauptsächlich dezentral organisierte Transferaktivitäten. Mit dem Aufbau tragfähiger Strukturen und der Schaffung eines nachhaltigen Finanzierungskonzepts auf zentraler wie dezentraler Ebene wird beabsichtigt, eine lebendige gesamtuniversitäre Transferkultur an der Universität zu etablieren und weitergehende Aktivitäten durch ein adäquates Anreizsystem zu fördern. Dabei wird festgehalten, dass zentral verankerte Strukturen bestehende und zukünftige dezentrale Aktivitäten keinesfalls beschränken dürfen, sondern diese vielmehr durch Anreizsetzungen stimulieren und der intrauniversitären Vernetzung dienen sollen.
Transferbegriff
Unter Transfer wird an der Universität Augsburg der wechselseitige Austausch über wissenschaftliche Erkenntnisse zwischen der Universität und außeruniversitären Akteuren (d.h. Individuen, Institutionen und Organisationen) – regional, national und international – verstanden. An der Universität erzeugtes Wissen findet bei der Beantwortung gesellschaftlicher Fragestellungen Anwendung, etwa in der Politik, der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft sowie dem Klima- und Umweltschutz. In gleichem Maße fließen in anderen gesellschaftlichen Teilbereichen gewonnene Erkenntnisse wieder in die universitäre Forschung ein. Transfer findet also ausdrücklich sowohl aus der Universität heraus als auch in die Universität hinein statt. Mit Transfer sind folglich Aktivitäten der Universität Augsburg gemeint, die sich mit der Schaffung, Anwendung und Verwertung von sowie dem verantwortlichen Umgang mit Wissen, Fähigkeiten, Ressourcen und Produkten außerhalb des Wissenschaftssystems befassen. Dabei besteht zwar eine enge Verbindung zu den anderen beiden Aufträgen der Universität, Forschung und Lehre, zugleich wird aber ausdrücklich festgehalten, dass Forschung und Lehre keine Transferaktivitäten im Sinne dieses Transferkonzepts darstellen.
Aufgrund der Vielschichtigkeit des Transferbegriffs und der disziplinspezifischen Transferkulturen kann dessen Definition nur in extensionaler Form erfolgen. Als (nicht priorisierbare) Kategorien von Transfer versteht die Universität Augsburg:
1. Transfer als Problemlösung und für Innovationen
folgende Aspekte unterscheiden:
- Angewandte Forschung, in der technische, gesellschaftliche, medizinische und politische Fragestellungen mit wissenschaftlichen Methoden an der Universität bearbeitet werden
- Auftragsforschung/Wirtschaftskooperationen
- Erfindungen und Patente
- Reflexion und Kritik von Wissensproduktion
- Technische, medizinische und ökologische Innovationen (etwa Erfindungen/Patente)
- Konzepte und Empfehlungen für praktische Handlungen in einem Unternehmen (z.B. Leitlinie für Digitalisierung in der Pflege, Empfehlungen für Kampagnenkommunikation, Konzepte für ein nachhaltiges Krankenhaus)
- Generierung und Bereitstellung von Daten als Entscheidungsgrundlage für Unternehmen und Institutionen (z.B. bei der Durchführung einer Patient:innenumfrage)
- Ausgründungen
- Schutz von Ökosystemen
- Spin-offs
2. Transfer als Beratung
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler üben nach diesem Transferverständnis eine Beratungstätigkeit für Stakeholder und Institutionen in allen gesellschaftlichen Teilsystemen aus. Aktivitäten, die zu beratendem Transfer führen, sind beispielsweise:
- Gutachten
- Expertisen
- Beratungsleistungen
- Öffentliche Auftritte
- Drittmittelprojekte mit Industriepartnern, Kulturwirtschaft und gesellschaftlichen Akteuren
- Auftragsforschung
- Positionen in Verbänden, Institutionen, Unternehmen, Akademien, Ethikkommissionen oder auch Kultureinrichtungen
3. Transfer als Outreach
a) Grundlagenorientierter Outreach
In der Grundlagenforschung wird gesellschaftlich relevantes Wissen erzeugt. Neben der Generierung von Wissen für das Wissenschaftssystem (etwa durch Fachpublikationen) werden die wissenschaftlichen Erkenntnisse auch in die Öffentlichkeit getragen, wo sie interessierte Bürgerinnen und Bürger informieren und sensibilisieren sowie zum öffentlichen Diskurs anregen können. Transfer ergibt sich als unintendierte Folge der eigenen wissenschaftlichen Tätigkeit.
Transferierbare Inhalte zwischen der Wissenschaft und der Öffentlichkeit sind etwa:
- Pressemitteilungen
- Webseiten
- Social-Media-Kanäle
- Medienauftritte/Interviews
- Vorträge
b) Zielgruppenorientierter Outreach
Wissenschaftliches Wissen wird im Fall des zielgruppenorientierten Outreach speziell für eine Vermittlung in die Öffentlichkeit hinein bereitgestellt. Es geht nicht (nur) um eigene Forschung, sondern um eine breitere Darstellung gesellschaftlich interessierender Themen. Formen des Transfers in diesem Zusammenhang sind zum Beispiel:
- Vorträge/Vortragsreihen für die Stadtöffentlichkeit, Schulen und Institutionen, z.B. Ringvorlesungen der Universität.
- Mediale Wissenschaftskommunikation, etwa populärwissenschaftliche Publikationen, Podcasts und Dokumentationen
- Ausstellungen
- Messeteilnahmen
- Organisation von Events wie der „Langen Nacht der Wissenschaft“
- Fortbildungen für Lehrer:innen und andere pädagogische Berufsgruppen
4. Transfer als lebenslanges Lernen
Disziplinübergreifend besteht ein bemerkenswerter Konsens über die zentrale Bedeutung von Wissen in der Gegenwartsgesellschaft. In einer Vielzahl von Publikationen in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften wird seit den 1960er-Jahren sogar die – umstrittene – Beschreibung der Gesellschaft als „Wissensgesellschaft“ diskutiert. Universitäten haben in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle als Anbieter von Angeboten für lebenslanges Lernen, unabhängig davon, ob dieses der persönlichen oder beruflichen (Weiter-)Bildung dienen soll.
- Wissenschaftliche Weiterbildungsangebote, etwa im ZWW
- Fortbildungen für Lehrer:innen und andere pädagogische Berufsgruppen
- Aufbereitung aktueller Wissenschaftsthemen für die breite Öffentlichkeit, beispielsweise in Form der „Kinderuniversität“ oder als „Open University“
5. Transfer als Service
- Transferbezogener wissenschaftlicher Weiterbildungsservice
- Unterstützungsstrukturen für Entrepreneurship, Ausgründungsberatung
- Öffnen und Bereitstellen von Forschungsinfrastruktur
Aufbau zentraler Transferstrukturen
Im Bereich der Koordination soll im unmittelbaren Verantwortungsbereich der Universitätsleitung die Weiterentwicklung der bestehenden Transferstelle uni-t vorangetrieben werden. Diese soll als Koordinatorin, Unterstützerin und Mittlerin zwischen Zentrale, Fakultäten, universitären Einrichtungen und transferunterstützenden Einheiten tätig sein sowie den interfakultären Austausch im Bereich Transfer fördern. Perspektivisch soll die Transferstelle im Zusammenspiel mit den einschlägigen Zentralen Einrichtungen, den Fakultäten und der Zentralverwaltung Unterstützung bei der Drittmittelakquise anbieten sowie auf eine Optimierung der Schnittstellen zur Zentralverwaltung inklusive einer stärkeren Standardisierung der Abläufe hinwirken. Darüber hinaus soll sie eine Datenbasis über die universitären Transferaktivitäten aufbauen und pflegen. Langfristig ist zu prüfen, inwieweit auch eine Rechtsberatung im Bereich Transfer geleistet werden kann. Eine besondere Rolle kommt den an der zentralen Einheit anzusiedelnden interfakultär wirkenden bestehenden Transferstrukturen zu. Hierzu zählt der Bereich Erfinder:innenberatung/Patente sowie der im Aufbau befindliche und dauerhaft auszugestaltende Bereich Entrepreneurship/Gründungen. Deren Entwicklung soll fortlaufend von der Vizepräsidentin bzw. dem Vizepräsidenten für Transfer begleitet werden, um mittelfristig – auch in Hinblick auf das neue Bayerische Hochschulinnovationsgesetz – entsprechend den neuen Bedarfen reagieren zu können und möglichst adäquate Strukturen zu etablieren.
Finanzierungsaufgaben sollen durch die Schaffung eines (finanziellen) Anreizsystems für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie die Bereitstellung eines Mittelfonds, um Projekte anzuschieben, nachgekommen werden. Hierfür soll ein Modell etabliert werden, das mit zentral erwirtschafteten Overheads gespeist wird.
Damit die zentrale Transfereinheit die genannten Bereiche „Koordination, Erfinder:innenberatung/Patente und Entrepreneurship/ Gründungen“ wie oben angegeben ausfüllen kann, ist eine angemessene Personalausstattung nebst Budget für Ausstattung, wissenschaftliche Hilfskräfte und Patentierungskosten notwendig.
Weitere transferförderliche Aktivitäten sollten flankierend von anderen Einrichtungen der Universität erfolgen. Hierzu zählt im Hinblick auf Beratung bzw. Awareness die Durchführung von Schulungen im Bereich Wissenschaftskommunikation und Interaktion mit Medienvertretern im Rahmen der Mitarbeiterfortbildung. Im Hinblick auf die verstärkte Einbindung der Third Mission in die Nachwuchsförderung, etwa im Bereich der Graduiertenförderung oder im Rahmen von strukturierten Promotionsangeboten, könnte ein entsprechendes Angebot durch die Qualitätsagentur angestrebt werden. Darüber hinaus soll durch die Pressestelle eine standardisierte Unterstützung und Koordination des Aufbaus von Social-Media-Aktivitäten der Zentren gewährleistet werden.