Der Lehrstuhl trauert um Dr. habil. Edith Raim (1965-2025)

Nachruf

Geboren 1965 in München, begann Edith Raim sich im Rahmen eines Geschichtswettbewerbs bereits als Schülerin in Landsberg am Lech intensiv mit dem Außenlagerkomplex Kaufering des Konzentrationslagers Dachau auseinanderzusetzen – ein Thema, das sie ihr gesamtes Leben begleiten sollte. Nach dem Studium der Geschichte und Germanistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Princeton University (USA) promovierte sie 1991 bei dem Münchner Historiker Prof. Dr. Friedrich Prinz mit einer bis heute als Standardwerk geltenden Studie über die KZ-Außenlagerkomplexe Kaufering und Mühldorf. Es folgten Stationen als Lektorin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Großbritannien, am Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn und ab 1999 über viele Jahre hinweg als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Zeitgeschichte in München.

Mit ihrer 2012 vorgelegten Augsburger Habilitationsschrift zum Thema „Justiz zwischen Diktatur und Demokratie. Wiederaufbau und Ahndung von NS-Verbrechen in Westdeutschland 1945–1949“ setzte Edith Raim neue Maßstäbe in der Erforschung der juristischen Aufarbeitung der NS-Zeit. Im Wintersemester 2012/2013 vertrat sie den Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Augsburg. 2016/2017 forschte Edith Raim – und dies belegt eindrucksvoll ihre internationale Reputation – als Senior Fellow am renommierten Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien in Wien. Als Lehrende an der Universität Augsburg hat sie Generationen von Studierenden speziell für die Geschichte der Weimarer Republik, der NS-Diktatur und der Nachkriegszeit sensibilisiert.

Edith Raim publizierte zahlreiche grundlegende Werke zur Kultur-, Sozial- und Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts und war maßgeblich an innovativen Public-History-Projekten beteiligt. Zuletzt leitete sie das Projekt „Nazi Crimes Atlas – Digitaler Atlas NS-Verbrechen“, das eine umfassende digitale Kartierung der Tatorte nationalsozialistischer Verbrechen anstrebt und neue Wege der Vermittlung und Erinnerung eröffnet. Ihr gesamtes wissenschaftliches Wirken war geprägt von unermüdlicher Recherche, intellektueller Klarheit und einem tiefen ethischen Verantwortungsbewusstsein. Edith Raim verstand es, historische Forschung mit aktivem gesellschaftlichem Engagement zu verbinden. Zeitlebens ging es ihr um die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus. In ihrer Heimatstadt Landsberg am Lech engagierte sie sich bis zuletzt federführend für die Errichtung einer Gedenkstätte samt Dokumentationszentrum auf dem Areal des ehemaligen KZ-Außenlagers Kaufering VII.

Mit ihrem Tod am 1. Juli 2025 verlieren wir nicht nur eine hochgeschätzte Wissenschaftlerin, akademische Lehrerin und Kollegin, sondern auch eine gewichtige Stimme gegen das Vergessen.

Prof. Dr. Stefan Paulus, Prof. Dr. Dietmar Süß für das Lehrstuhlteam der Neueren und Neuesten Geschichte

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