Archivwesen (Giulia Sterchele)
Ein Jahr im Fürstlich und Gräflichen Fuggerschen Familien- und Stiftungsarchiv
Nachdem ich mein Masterstudium in Augsburg abgeschlossen hatte, wollte ich meine Erfahrungen bereichern – durch ein Praktikum, das mir die Möglichkeit geben sollte, einige meiner erworbenen Fähigkeiten in den Bereichen Paläographie und Bibliothekswesen in die Praxis umzusetzen. Nach einigen erfolglosen Versuchen wurde ich vom Fürstlich und Gräflich Fuggerschen Familien- und Stiftungsarchiv, dem historischen Archiv der Familie Fugger, in Dillingen an der Donau angeschrieben.
Während meines zweimonatigen Praktikums und der anschließenden einjährigen Arbeit hatte ich die Möglichkeit, meine Lesefähigkeiten für historische Texte zu stärken, indem ich Lese- und Verständnisübungen zu den erhaltenen Texten durchführte. Außerdem lernte ich, die Datenbank des Archivs, AUGIAS 2.0, zu nutzen, die als Suchmaschine fungiert und es ermöglicht, in den Beständen, aus denen das Archiv besteht, und den Bänden zu „blättern“.
Der interessanteste Teil war sicherlich das Regest einer Briefkopie aus dem 17. Jahrhundert, die in italienischer Sprache verfasst war und deren Inhalt noch niemand übersetzt und verstanden hatte. Bei dieser Aufgabe konnte ich meine Übersetzungsfähigkeiten aus meiner Muttersprache Italienisch ins Deutsche nutzen, die ich in einem Übersetzungskurs, den ich im Rahmen meines Masterstudiums besucht hatte, erworben hatte. Ebenso interessant war die historisch-investigative Forschungsarbeit: Im Archiv erhalten wir ständig Fragen von Forschern oder einfachen Geschichtsliebhabern, die wir beantworten müssen. Dazu recherchieren wir zunächst in den Quellen und bitten auch unsere Kollegen, die sich schon viel länger mit diesen Fragen beschäftigen als ich, um Vorschläge, und suchen dann in den Datenbanken nach Signaturen, die eine Antwort geben könnten. Schließlich gehen wir zum Lesen und Interpretieren der Handschriften über: Das ist mein Lieblingsmoment, denn so kann ich echte „Stücke“ der Geschichte in den Händen halten. Ich muss ehrlich zugeben, dass die Schwierigkeiten beim Lesen der Dokumente nicht gering waren, aber mit Geduld und Hartnäckigkeit habe ich es geschafft, sie zu verstehen, zumindest was einige Schriften aus dem 16. und 17. Jahrhundert betrifft.
Eine Besonderheit des Fugger-Archivs ist, dass die Herausforderungen und Probleme der einzelnen Mitarbeiter oft gemeinsam besprochen werden, um jedem die Möglichkeit zu geben, etwas Neues zu lernen, und vielleicht dank der Diskussion die Lösungen für die Fragen zu finden. So bin ich auch auf andere Themen gestoßen, mit denen ich mich vorher noch nie beschäftigt hatte, wie z.B. auf die Restaurierung und richtige Lagerung der ältesten Siegel oder die Regulierung von Temperatur und Luftfeuchtigkeit in Magazinen usw.
Die Erfahrung war in vielerlei Hinsicht sehr positiv: Ich habe meine Kenntnisse aus dem Bereich der Paläographie und der Archivierung vertieft, ich habe auch mit den Computerhilfsmitteln gearbeitet, die die Historiker in den Archiven verwenden, und natürlich habe ich meine Kenntnisse der deutschen Sprache verbessert.